Und die Moral von der Geschicht? Selbst das SEK ver­hin­dert Dynamo nicht! — Teil 1

19 Nov 2019 | Abgeschlossene Verfahren, Allgemein, Blick über den Tellerrand, Pressespiegel, Repression

Und mit die­sem leicht abge­wan­del­ten Spruch­band aus der Vor­sai­son hei­ßen wir Euch herz­lich Will­kom­men beim dies­jäh­ri­gen Sai­son­rück­blick der Schwarz-Gelben Hilfe. So man­cher Dyna­mo­fan wird froh sein, diese grau­en­volle Spiel­zeit end­lich abge­hakt zu haben. Auch für uns war die Spiel­zeit 2018/19 wie­der geprägt von Sie­gen und Nie­der­la­gen, von guten wie schlech­ten Zei­ten. Doch in die­sem Sai­son­rück­blick wol­len wir den Fokus nicht auf die übli­chen Ein­zel­schick­sale der von Repres­sio­nen betrof­fe­nen Dyna­mo­fans rich­ten. Das Augen­merk liegt auf dem poli­zei­li­chen Han­deln, das ver­mehrt einen Groß­teil von Dyna­mo­fans an Spiel­ta­gen trifft. Eine gefähr­li­che Ent­wick­lung macht sich in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land breit. Die All­macht der Poli­zei wird Gesetz. Jener Rechts­staat, der uns Bür­ger, also auch uns Fuß­ball­fans, vor staat­li­chem Fehl­ver­hal­ten schüt­zen soll, wan­delt sich immer mehr in einen Rechts­staat, der sich selbst zu schüt­zen ver­sucht. Grund hier­für ist die bun­des­weite Ver­schär­fung der Poli­zei­ge­setze. Aber auch Innen­mi­nis­ter, die den Kontroll- und Über­wa­chungs­staat for­dern und ihre han­delnde Exe­ku­tive, sprich Poli­zei­ein­hei­ten, mit immer neuen weit­rei­chen­den Befug­nis­sen und all­um­fas­sen­den Schutz auf­rüs­ten, tra­gen dazu bei. Neben der übli­chen Ver­fah­rens­be­glei­tung ein­zel­ner Dyna­mo­fans, die Pro­bleme mit Poli­zei und Jus­tiz bekom­men haben, rich­tet sich unsere Auf­merk­sam­keit des­halb immer mehr auf die gene­relle Über­prü­fung poli­zei­li­chen Han­delns. Im Unter­schied zu so manch “media­lem Laut­spre­cher” wol­len wir an die­ser Stelle keine Effekt­ha­sche­rei betrei­ben und holen auch nicht zum gro­ßen Rund­um­schlag aus. Es reicht allein, das ein oder andere Ereig­nis aus der letz­ten Sai­son noch ein­mal zu beleuch­ten, um zu sehen, welch schlei­chen­der Pro­zess in Gang gesetzt wurde.

Zukunfts­bil­der in Köln

Im Novem­ber 2018 trat unsere Sport­ge­mein­schaft in der Köl­ner Dom­stadt zum Aus­wärts­spiel an. Auf einer sehr unter­halt­sa­men Pres­se­kon­fe­renz einige Tage vor dem Spiel machte die Köl­ner Poli­zei deut­lich, dass sie nicht gerade das unauf­ge­regte poli­zei­li­che Han­deln erfun­den hat. “Das alles wol­len wir in Köln hier nicht sehen…” — oder auch: die per­fekte Medi­en­in­sze­nie­rung der Köl­ner Poli­zei. Viele rie­ben sich ver­wun­dert die Augen oder schüt­tel­ten den Kopf als Sätze, wie: “Es lie­gen Erkennt­nisse vor, dass die Dresd­ner Fans einen Fan­marsch pla­nen.” fie­len. Nur durch “inten­sivste Vor­aber­mitt­lun­gen” der Köl­ner Poli­zei konnte man an solch bri­sante Infor­ma­tio­nen gelan­gen — jedoch hat­ten die Ver­eins­füh­rung und die Fan­be­treu­ung zuvor die Mög­lich­keit eines sol­chen Mar­sches ange­fragt. Erst dadurch hatte die Köl­ner Poli­zei Kennt­nis eines even­tu­el­len Mar­sches erlangt.. Das High­light folgte dann am Spiel­tag selbst, als bis zu 50 Poli­zis­ten des Spe­zi­al­ein­satz­kom­man­dos (SEK) rund um das Mün­gers­dor­fer Sta­dion auf die mit­ge­reis­ten Dyna­mos war­te­ten. Die beste Ant­wort auf die­ses ganze Thea­ter lie­fer­ten die Fans selbst in Form eines gran­dio­sen Aus­wärts­auf­tritts, inklu­sive gro­ßer schwarz-gelber Rauch­show und einem beson­ne­nen Ver­hal­ten, wel­ches das poli­zei­li­che Thea­ter ins Leere lau­fen ließ. Selbst nach Ende des Spiels stand das SEK-Abwehrbollwerk des selbst­er­nann­ten freiheitlich-demokratischen Nordrhein-Westfalens wie eine Eins, was sich von unse­rer sport­li­chen Defen­sive nach einer 8:1‑Niederlage lei­der nicht behaup­ten ließ.

Auf­rüs­tung auch in Hamburg

Ganz ähn­li­che Töne wur­den nach dem Jah­res­wech­sel 2018/19 in Ham­burg laut. Es näherte sich unser Aus­wärts­spiel beim längst aus­ge­stor­be­nen HSV-Dinosaurier. Auch hier kün­digte die Ham­bur­ger Poli­zei eine Null-Toleranz-Schiene an und reagierte somit nicht gerade dees­ka­lie­rend auf das sowieso ange­spannte Ver­hält­nis zwi­schen Dyna­mo­fans und der Ham­bur­ger Poli­zei. Zur Erin­ne­rung: Beim Spiel der schwarz-gelben Kicker am Mill­ern­tor im Dezem­ber 2018 folgte auf das Fehl­ver­hal­ten eini­ger Dyna­mo­fans ein Poli­zei­ein­satz, der aus unse­rer Sicht völ­lig orientierungs- und plan­los war. Pfef­fer­spray und Schlag­stock wur­den damals gegen alles und jeden ein­ge­setzt. Das Ergeb­nis waren meh­rere Inge­wahr­sahm­nah­men und eine große Zahl noch immer lau­fen­der Gerichts­ver­fah­ren gegen Dyna­mo­fans. Das Spiel beim HSV stand daher nicht gerade unter einem guten Stern. Einige Ham­bur­ger Bou­le­vard­blät­ter fan­ta­sier­ten schon im Vor­feld über her­ein­bre­chende Hoo­li­g­an­hor­den in der Han­se­stadt. Die Poli­zei rüs­tete am Spiel­tag typisch frei­heit­lich han­sea­tisch auf und so stan­den neben dut­zen­den Hun­dert­schaf­ten auch Was­ser­wer­fer und Räum­pan­zer bereit. Ein Fan­marsch, wel­cher von einem Ein­kaufs­zen­trum zum Volks­park zog, zeigte, wie dünn die Reiß­leine zur Eska­la­tion auf Sei­ten der Ham­bur­ger Poli­zei­ein­satz­lei­tung war. Nach­dem ein pyro­tech­ni­scher Gegen­stand gezün­det wurde, bezo­gen sofort BFE-Einheiten und oben genannte Ein­satz­ge­räte Stel­lung und stopp­ten den Marsch. Nur durch das dees­ka­lie­rende Ver­hal­ten der Dresd­ner Fans konnte der Fan­marsch schließ­lich fort­ge­setzt wer­den. Am Ein­lass folgte für einen ehe­ma­li­gen Bun­des­li­gis­ten unwür­digste Bedin­gun­gen. Im Sta­dion selbst zeig­ten die Schlach­ten­bumm­ler der SGD eine der größ­ten Ben­ga­len­shows bei einem Aus­wärts­auf­tritt unse­rer Mann­schaft, wel­che sogar im Nach­gang die Debatte in der bun­des­deut­schen Medi­en­welt über die Frage nach der Lega­li­sie­rung von Pyro­tech­nik wie­der anheizte. Beim Abmarsch der Fans nach dem Spiel kam es lei­der zu einem äußerst tra­gi­schen Vor­fall, der uns ‑und vor allem die Angehörigen- nach wie vor stark beschäf­tigt. Genauer kön­nen und wol­len wir an die­ser Stelle aus Respekt vor den Ange­hö­ri­gen und auf­grund eines lau­fen­den Ver­fah­rens nicht werden.

Gefah­ren­ab­wehr in Duis­burg und Darmstadt

Auch ver­meint­lich klei­nere Aus­wärts­spiele wur­den durch poli­zei­li­che Maß­nah­men für viele mit­ge­reis­ten Dyna­mo­fans zu einer Zer­reiß­probe. “Im Rah­men der Gefah­ren­ab­wehr” sollte das letzte Spiel des Jah­res 2018 in Duis­burg ein beson­de­res wer­den. Auf­grund einer vor­aus­ge­gan­gen klei­nen Ran­ge­lei ein­zel­ner Dyna­mo­fans mit dem Ord­nungs­dienst am Ein­lass des Wed­au­s­ta­di­ons erfolgte die Kes­se­lung und der Aus­schluss von etwas mehr als 250 Dyna­mo­fans vom Spiel. Die Poli­zei in Nordrhein-Westfalen zeigte erneut ihre bür­ger­rechts­feind­li­chen Zähne und ließ spä­ter über deren Medien ver­lau­ten, dass dies ein geplan­ter Sturm des Sta­di­ons gewe­sen wäre, um pyro­tech­ni­sche Gegen­stände ins Sta­dion zu brin­gen. Gefun­den wurde aller­dings bei den betrof­fe­nen Dyna­mo­fans nichts. Statt­des­sen durfte man mit Sicht auf das Sta­di­onäu­ßere im Nie­sel­re­gen war­ten bis man zur per­sön­li­chen Kon­trolle abge­holt wurde. Die schwarz-gelben Anhän­ger, wel­che schon im Gäs­te­block auf die aktive Fan­szene war­te­ten, zeig­ten sich soli­da­risch, ver­such­ten den Block zu ver­las­sen, was ihnen aller­dings auf­grund poli­zei­li­cher Gegen­wehr unter­sagt wurde, und somit schwie­gen sie die kom­plette Spiel­zeit. Vor Ort waren wir, die Schwarz-Gelbe Hilfe, lei­der erst ein­mal macht­los, doch wir wer­den sehen, was die juris­ti­sche Über­prü­fung im Nach­gang brin­gen wird. Ähn­li­ches Schick­sal erlit­ten die Insas­sen von vier Klein­bus­sen nach dem Spiel beim SV Darm­stadt: Die ein­ge­setz­ten hes­si­schen Poli­zei­be­am­ten ver­such­ten krampf­haft ein tex­ti­les Beweis­mit­tel zu fin­den, wel­ches zuvor ihren Dienst­her­ren Peter Beuth (hes­si­scher Innen­mi­nis­ter mit CDU-Parteibuch) als Sohn eines Freu­den­mäd­chens belei­digte. Hin­ter­grund des Spruch­ban­des war der völ­lig über­zo­gene Poli­zei­ein­satz sei­nes gehor­sa­men Fuß­vol­kes am Rande des Euro­pa­po­kal­spiels der Frank­fur­ter Ein­tracht gegen Shakhtar Donetsk und die Durch­su­chung des Cho­reo­ma­te­ri­als nach einem Spruch­band, wel­ches ihn als einen “Ficker” bezeich­net haben soll. Auf dem Darm­städ­ter Gäs­te­park­platz konnte der Tat­ge­gen­stand aller­dings trotz stun­den­lan­ger Durch­su­chun­gen nicht gefun­den wer­den, Ermitt­lun­gen wegen Belei­di­gung Peter Beuths sind uns bis­her eben­falls nicht bekannt. Auch hier geht ein Dank an die war­ten­den Dyna­mo­fans, die sich soli­da­risch mit den betrof­fe­nen Fuß­ball­fans zeigten.

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...