Mit­tel­fin­ger schei­tert vor Verwaltungsgericht

11 Jan 2016 | Abgeschlossene Verfahren

Wenige Tage vor dem Gast­spiel der SG Dynamo Dres­den auf der Bie­le­fel­der Alm am 4.Oktober 2014 erhielt der lang­jäh­rige Dyna­mo­fan Alvin* neben wei­te­ren 35 Anhän­gern der Schwarz-Gelben ein Betretungs- und Auf­ent­halts­ver­bot für das gesamte Stadt­ge­biet von Bielefeld.

In der zugrunde lie­gen­den Poli­zei­ver­fü­gung heißt es, dass er mit einem angeb­li­chen Zei­gen des Mit­tel­fin­gers gegen­über Poli­zei­be­am­ten zur Anhe­bung der aggres­si­ven Stim­mung und zur Eska­la­tion mit dar­auf­fol­gen­den Straf­ta­ten bei­getra­gen hätte. Zudem sei er nach Erkennt­nis­sen der Poli­zei der Dresd­ner Hoo­li­gan­szene zuzu­ord­nen. Aus­gangs­punkt sind dabei die oft zitier­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Dyna­mo­fans und der Poli­zei am 6.12.2013 in Bie­le­feld und des­sen Fol­gen im Nachgang .
Alvin ver­stand nun die Welt nicht mehr, wuss­ter er doch weder von einem ihm anhän­gi­gen Ver­fah­ren wegen Belei­di­gung, noch emp­fand er das gegen ihn aus­ge­spro­chene Stadt­ver­bot als gerecht. Als Mit­glied der Schwarz-Gelben Hilfe wandte er sich umge­hend mit sei­nen juris­ti­schen Pro­ble­men an uns und es wurde ihm ein Anwalt für Ver­wal­tungs­recht ver­mit­telt. Da Alvin unbe­dingt das Aus­wärts­spiel sei­ner Dyna­mos gegen die Armi­nen sehen wollte, strebte die­ser nun eine Eil­klage gegen die Poli­zei­ver­fü­gung vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt in Min­den an.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt lehnte aller­dings zwei Tage vor dem Spiel den Antrag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung des Beschlus­ses ab. Es folgte damit der oben beschrie­be­nen Argu­men­ta­ti­ons­weise der Gegen­seite, wel­che nun urplötz­lich ein Akten­zei­chen mit anhän­gen­den, lau­fen­den Straf­ver­fah­ren prä­sen­tie­ren konnte. Ein Straf­ver­fah­ren aber, von dem Alvin bis dato kei­nen Kennt­nis­stand hatte. In der schrift­li­chen Begrün­dung des Gerich­tes heißt es, dass die von ihm aus­ge­hende Gefahr bereits darin bestehe, “dass er durch seine zum Aus­druck gebrachte Zuge­hö­rig­keit zur Hoo­li­gan­szene die Gewalt­be­reit­schaft die­ser Per­so­nen för­dert und für die­je­ni­gen, die per­sön­lich Gewalt anwen­den, eine zumin­dest psy­cho­lo­gi­sche Stütze dar­stellt.” Wei­ter­hin basierte die Ent­schei­dung des Gerich­tes auf der Tat­sa­che, das Alvin als Wie­der­ho­lungs­tä­ter gelte. So soll er schon im Novem­ber 2009 nega­tiv durch belei­di­gen­des Ver­hal­ten gegen­über Poli­zis­ten auf­ge­fal­len sein.

Das Spiel auf der Bie­le­fel­der Alm konnte Alvin durch die Ableh­nung des Antrags nicht besu­chen, die end­gül­tige Ent­schei­dung über die Recht­mä­ßig­keit des Ver­bo­tes sollte nun ein Kla­ge­weg her­bei­füh­ren. In der Zwi­schen­zeit bean­tragte Alvins Rechts­bei­stand die Ein­sicht in die Akte des Straf­ver­fah­rens, wel­che schließ­lich Anfang Januar 2015 in Augen­schein genom­men wer­den konnte. Aus die­ser ging her­vor, das der Straft­tat­be­stand um den Vor­wurf des Land­frie­dens­bruch erwei­tert wurde und die Straf­an­zeige gegen Alvin erst Mitte April 2014, also meh­rere Monate nach Bege­hen der Tat, gestellt wurde. Wenige Tage spä­ter erreichte Alvin ein Straf­be­fehl über 50 Tages­sätze a 20€, gegen den er jedoch sofort Wider­spruch einlegte.

Am 18.06.2015 folgte der Ver­hand­lungs­ter­min am Ver­wal­tungs­ge­richt Min­den, worin Alvin als Klä­ger gegen das Betretungs- und Auf­ent­halts­ver­bot auf­trat. In der ca. ein­stün­di­gen Ver­hand­lung wurde nun die Sach- bzw. Rechts­lage zwi­schen Alvins Anwalt und zwei Mit­ar­bei­tern der Stadt Bie­le­feld sehr umfang­reich erör­tert. Dabei erwi­derte Alvins Rechts­bei­stand, dass er diese Ver­fü­gung für rechts­wid­rig und unver­hält­nis­mä­ßig halte, da gegen den ver­meint­li­chen Täter weder ein rechts­kräf­ti­ges Urteil vor­lag, noch ein bun­des­weit wirk­sa­mes Sta­di­on­ver­bot aus­ge­spro­chen wurde. Mit dem erteil­ten Ver­bot würde ihm die rechts­wirk­same Mög­lich­eit des Fan-Daseins genom­men wer­den. Die recht­li­che Ver­tre­tung der Stadt Bie­le­feld ent­geg­nete dar­auf­hin, dass das Mit­tel des Stadt­ver­bo­tes gewählt wor­den wäre, da sich mög­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht nur im Sta­di­on­be­reich abspie­len wür­den. Es folgte der Hin­weis durch Alvins recht­li­che Ver­tre­tung, dass durch das mut­maß­li­che Zei­gen des Mit­tel­fin­gers weder eine Gewalt­tat aus­ge­übt wurde, noch das dadurch ein Fan zu einer gewalt­tä­ti­gen Gruppe zuge­ord­net wer­den kann. Er bean­tragte nun die Fest­stel­lung der Rechts­wid­rig­keit der Poli­zei­ver­fü­gung. Mit einem Beschluß der vor­sit­zen­den Rich­te­rin auf Urteils­ver­kün­dung per Zustel­lung endete die Haupt­ver­hand­lung an die­sem Tag.

Wenige Wochen spä­ter flat­terte nun die Urteils­ver­kün­dung mit der Abwei­sung der Klage in das Post­fach des Anwalts. Die Ent­schei­dungs­fin­dung des Gerich­tes folgte der poli­zei­li­chen Begrün­dung im Betretungs- und Auf­ent­halts­ver­bot erneut. Dabei sei es “vor dem Hin­ter­grund uner­heb­lich, dass der Klä­ger im Zusam­men­hang mit den Ereig­nis­sen am 6. Dezem­ber 2013 nicht wegen einer Gewalt­tat ange­klagt ist, son­dern gegen ihn ein Straf­ver­fah­ren wegen Belei­di­gung geführt wird.”

Ein Urteil, wel­ches für uns, der Schwarz-Gelben Hilfe, nicht nach­voll­zieh­bar ist. Schon mit Hin­blick auf die etwa­igen Gewalt­ta­ten am Niko­laus­tag 2013 ist ein Aufenthalts- und Betre­tungs­ver­bot für das gesamte Stadt­ge­biet Bie­le­feld auf­grund einer Belei­di­gung weder verhältnis- noch rechts­mä­ßig. Nach lan­gen Bera­tun­gen und mit Hin­blick auf ein etwa­iges nega­ti­ves Grund­satz­ur­teil durch ein Ober­ver­wal­tungs­ge­richt wurde auf die Fort­set­zung des ver­wal­tungs­recht­lich mög­li­chen Kla­ge­weg ver­zich­tet. Der Ein­spruch gegen den erteil­ten Straf­be­fehl wurde auf­grund der Akten­lage des Straf­pro­zes­ses zurück­ge­zo­gen. Die Schwarz-Gelbe Hilfe betei­ligte sich anschlie­ßend in einem gro­ßen Umfang an der Beglei­chung der Kos­ten für Alvins Anwalt im Verwaltungs- und Strafprozess.

Auch wenn die­ses Bei­spiel nicht zum Posi­ti­ven gewen­det wer­den konnte, zeigt es doch die Stärke einer Soli­dar­ge­mein­schaft. Nur durch unser aller Hilfe sind Ein­zelne in der Lage, solch abstru­sen Vor­gänge in Frage zu stel­len. Wer­det Mit­glied in unse­rer Soli­dar­ge­mein­schaft, der Schwarz-Gelbe Hilfe, denn allein machen Sie Euch ein.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...