Nach den Ereignissen im November 2014 beim Auswärtsspiel der SG Dynamo Dresden in Rostock verdonnerte der Deutsche Fußballbund unseren Verein zu einer drastischen Strafe und so musste die schwarz-gelbe Mannschaft ihr Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt Anfang Februar 2015 vor leeren Rängen bestreiten.
Die Bemühungen der aktiven Fanszene, eine Leinwand in der Nähe des Stadions aufzubauen, um dort gemeinsam mit mehreren tausend Fans das Spiel zu schauen, konnte leider nicht umgesetzt werden. Ein Gewinn, um somit wenigstens einen Teil DFB-Strafe zu begleichen, wäre bei den extrem hohen Kosten nicht realistisch gewesen. Eine Wiederholung einer Geisterticketaktion ala Ingolstadt wurde ebenfalls ausgeschlossen und so wurde von der aktiven Fanszene keine gezielte Aktion durchgeführt.
Vor der Begegnung selbst liefen etwa 200 sichtlich unorganisierte Anhänger der Sportgemeinschaft von der Lingnerallee über den Straßburger Platz und die Lennéstraße zum Stadion. Da auf diesem Weg mehrfach pyrotechnische Gegenstände gezündet wurden, stellte daraufhin die Polizei von einigen Personen die Personalien fest. Die Stimmung der Fans war, trotz des Geisterspiels und der Umringung der Polizei, am K‑Block Aufgang ausgelassen. Nach dem Abpfiff wuchs die Menge an schwarz-gelben Anhänger auf ca. 400 Personen an. Als die Polizei einen weiteren vermeintlichen Pyrozünder in Gewahrsam nehmen wollte, heizte sich die Situation am Stadion auf und es kam zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Genau hier beginnt nun unser Fall.
Nach dem Spiel gesellte sich der Jugendliche Paul mit seinen Freunden zu den Fans am Stadion. Kurz darauf kam es zu den oben genannten Rangeleien. Nun war Paul mittendrin im Geschehen, und als er sich versah, versuchte ihn jemand zu Boden zu ziehen. Er wehrte sich und realisierte erst zu spät das diese Personen Polizisten waren. Bei der Identifikationsfeststellung erfuhr er, dass er vor dem Zugriff durch die Polizisten einer ihrer Kollegen geschlagen haben soll. Der Vorwurf lautete also Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Paul und seiner Mutter wandten sich daraufhin nun an uns, die Schwarz-Gelbe-Hilfe.
Wir vermittelten einen Anwalt, Paul schrieb ein Gedächtnisprotokoll, um die Einzelheiten nicht zu vergessen und seine Mutter verfiel trotz aller Sorgen nicht in Panik. Kurz darauf meldete sich die Jugendgerichtshilfe bei Paul. Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe sollen unter anderem sozialpädagogische Gesichtspunkte in Strafverfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung bringen, indem sie über die Beschuldigten berichten. Bei diesem Termin stellte sich heraus, dass der verletzte Polizist wohl eine Zerrung aus dem Einsatz mit sich trug.
Es folgten nun zwei mühselige Verhandlungstage am Jugendgericht, die zum Schutz der Jugendlichen und Heranwachsenden unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Dabei sagte neben dem vermeintlichen Opfer, ein weiterer Polizeibeamter zu dem Vorfall aus. Die Aussagen der Zeugen überzeugten den Jugendrichter nicht und auch ein Polizeivideo zeigte, das Paul keine Körperverletzung beging.
Der Jugendrichter verurteilte Paul daraufhin nur für die Tat, die er auch begannen hatte — Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Auf Anregung der Jugendgerichtshilfe verhängte dieser keine Sozialstunden oder Jugendarrest, sondern verfügte, dass Paul als Strafe ein Buch lesen soll.
Dies ist ein sehr interessantes Projekt der Jugendgerichtshilfe namens “Dresdner Bücherkanon”. Dabei sollen jugendliche Straftäter ihre Tat anhand eines Buches selbst reflektieren, dazu eine Rezension schreiben, Fragen beantworten und diese dem Jugendrichter zum Lesen vorlegen.
Paul hat nun 4 Wochen Zeit für die Erfüllung der Auflagen — die SGH beteiligte sich an der Bewältigung der Anwaltskosten.
Bildung statt Strafe — Eure Schwarz-Gelbe Hilfe
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