Ein Buch­stabe erregt die Gemü­ter — RED KAOS — eine recht­li­chen Einordnung

21 Okt 2019 | Abgeschlossene Verfahren, Blick über den Tellerrand

Es ist der 30.07.2019 — eine Mel­dung ver­brei­tet sich in den sozia­len Medien und auf diver­sen (un-)bekannten Fuß­ball­fan­platt­for­men wie ein Lauf­feuer — unsere Freunde aus Zwi­ckau, die Ultra­gruppe RED KAOS 1997, fährt nicht zum Aus­wärts­spiel zu den Münch­ner Löwen. Aus­lö­ser sind die Mel­dun­gen des FSV Zwi­ckau und des Fan­pro­jekt Zwi­ckau über ein angeb­li­ches Ver­bot der Aus­wärts­s­fahne der Zwi­ckauer Ultras und, dass eben diese treuen Anhän­ger der West­sach­sen­ki­cker nun dar­auf­hin nicht nach Mün­chen rei­sen werden. 

Grund für die Unter­sa­gung sei laut Mel­dung die Auf­fas­sung der Staats­an­walt­schaft Mün­chen, dass das in grie­chi­scher Schrift­art abge­bil­dete “S” im Schrift­zug „RED KAOS“ den Tat­be­stand des § 86a StGB (Ver­wen­den von Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Orga­ni­sa­tio­nen) erfül­len würde. Nicht nur die Ver­ant­wort­li­chen des FSV Zwi­ckau spre­chen von einer “hane­bü­che­nen Beur­tei­lung durch die Münch­ner Staats­an­walt­schaft”. Es begin­nen rege Dis­kus­sio­nen im Inter­net und auf den sozia­len Platt­for­men. US-amerikanische Rock­bands, grie­chi­sche Restau­rants oder Müller-Joghurts müs­sen nun für Ver­glei­che her­hal­ten. Ver­meint­li­che Sze­ne­ken­ner ver­su­chen nun die Gruppe poli­tisch ein­zu­ord­nen. Noch am Spiel­tag sel­ber, also einen Tag nach der Mel­dung, demen­tierte die Staats­an­walt­schaft ein Ver­bot der Zaun­fahne gegen­über der Münch­ner Abend­zei­tung. Man sei ja keine Fah­nen­prü­fungs­stelle, bestä­tigte aber, dass es sich bei dem sti­li­sier­ten “S” um einen mög­li­chen Straf­tats­be­stand nach § 86a StGB (Ver­wen­den von Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Orga­ni­sa­tio­nen) han­deln könnte. Die Ultras mach­ten alles rich­tig. Sie blei­ben dem Tru­bel in Mün­chen fern und zeig­ten bei den nächs­ten Spie­len in der Fremde ihre Zaun­fahne, bis zur Klä­rung des Sach­ver­halts, erst­mal nicht. Somit beugte die Gruppe einer Beschlag­nah­mung der eige­nen Zaun­fahne durch die Poli­zei vor, immer­hin wäre die Zaun­fahne Tat- und Beweismittel.

Grund für all diese Maß­nah­men und Wir­run­gen ist ein for­mell unbe­deu­ten­des Aus­wärts­spiel bei der Spiel­ver­ei­ni­gung Unter­ha­ching am 14.04.2019. Die Ultras betre­ten den Gäs­te­block, wie üblich wird in den ers­ten Rei­hen die Fahne der Gruppe RED­KAOS auf­ge­han­gen. Ein­ge­setzte Poli­zis­ten wer­den nun auf diese Fahne auf­merk­sam — man sehe eine Ähn­lich­keit mit der Ver­bo­te­nen Sig­rune, wel­che als Erken­nungs­zei­chen des sog. “Deut­schen Jung­volks”, einer Unter­or­ga­ni­sa­tion der Hitler-Jugend, sowie der Waffen-SS diente. Mit dem Unter­gang des Hitler-Faschismus wur­den diese Orga­ni­sa­tio­nen und deren Zei­chen verboten.
Einer der Mit­ver­ant­wort­li­chen für das Anbrin­gen der Fahne wird nach dem Spiel vor­läu­fig fest­ge­nom­men und es folgte eine Iden­ti­täts­fest­stel­lung. Die Poli­zei beginnt nun mit den Ermitt­lun­gen, wel­che an die Staats­an­walt­schaft über­ge­ben wur­den und zu obi­gen Spiel­tag ihren unrühm­li­chen Höhe­punkt fan­den. Am 02.09.2019 stellte die Staats­an­walt­schaft Mün­chen das Ver­fah­ren gegen den Beschul­dig­ten nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Gründe sind ein­fach wie wich­tig für die Zwi­ckauer Ultra­gruppe RED KAOS: Es sei nicht mit der erfor­der­li­chen Sicher­heit zu bele­gen, dass ein Kenn­zei­chen einer NS-Organisation auf der Zaun­fahne Ver­wen­dung fand. Zwar ähnelt der sti­li­sierte Buch­stabe “S” grund­sätz­lich der sog. Sig­rune, es ist aber auf den objek­ti­ven flüch­ti­gen Betrach­ter abzu­stel­len, ob eine die Dar­stel­lung zum Ver­wech­seln ähn­lich ist. Die Rune in der dama­li­gen Ver­wen­dung wurde durch zwei ver­scho­bene und sich berüh­rende Par­al­le­lo­gramme dar­ge­stellt, sodass die Dar­stel­lung des “S” der Zwi­ckauer Ultras nicht der dama­li­gen und heu­ti­gen straf­ba­ren Gestal­tung ent­spricht. Der straf­bare Bereich ist somit durch eine ent­spre­chend ähn­li­che Gestal­tung stark ein­ge­engt. Die gewählte Dar­stel­lung auf der Zaun­fahne weist nun­mal nicht die typisch geblockte Dar­stel­lung durch Par­al­le­lo­gramme auf. Außer­dem hebt sich die Gestal­tung des “S” nicht von den ande­ren Buch­sta­ben auf der Zaun­fahne ab, das “S” wird maß­geb­lich als Teil des gesam­ten opti­schen Schrift­zu­ges der Zaun­fahne wahrgenommen.
Somit sollte für die Zukunft die recht­li­che Ein­ord­nung die­ser Zaun­fahne und das typi­sche griechisch-anmutende “S” geklärt sein.

Die Schwarz-Gelbe Hilfe war von Anfang an mit dem Ver­fah­ren ver­traut, half kur­zer­hand mit der Ver­mitt­lung einer Anwäl­tin für den Betrof­fe­nen und beglei­tete die Zwi­ckauer Freunde bis zum Abschluß des Verfahrens.

Bild­quelle: www.erlebnis-stadion.de

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