Gemeinsame Stellungnahme der Rechtshilfen Nürnberg, 1860 München, Hannover, Rostock, Dresden und Union Berlin
1.
Wie schon im letzten Jahr, als das Sicherheitskonzept durchgesetzt wurde, hat man auch jetzt bei der Veränderung der aktuellen Stadionverbotsrichtlinien (SVRi) nicht auf Transparenz und Mitsprache der Fans gesetzt, sondern dies im stillen Kämmerlein ausgehandelt. Bereits Anfang Oktober diesen Jahres bekamen sämtliche Fanprojekte und Vereine die Vorschläge des DFB mitgeteilt. Um anscheinend Stellungnahmen und Hinweise auf das sehr wohl bedenkliche Vorhaben der Neuregelung zu vermeiden, haben weder Vereine noch Fanprojekte es gewagt, diese Informationen zur allgemeinen Diskussion an die breite Fanmasse weiterzugeben. Praktisch der gleiche selbstherrliche Vorgang wie 2012, als einzig über den Verein Union Berlin das Vorhaben des DFB durchsickerte und ein breiter Proteststurm mit der Aktion 12:12 entstand.
2.
Wie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) auf http://www.faszination-fankurve.de/index.php?head=quotMehr-Transparenz-und-Praezision-statt-Verschaerfungquot&folder=sites&site=news_detail&news_id=6745 mitteilt, verstehe diese nicht, dass der Eindruck entstanden sei, bei den neuen SVRi handle es sich um eine Verschärfung.
Wenn eine SV-Kategorie D eingeführt wird, die beinhaltet, dass die Maximaldauer auf fünf Jahre hochgesetzt wird, ist dies sehr wohl eine Verschärfung! Viel schlimmer jedoch ist, dass die staatlicher- und verbandlicherseits bezahlten und geförderten Fanprojekte wenig Interesse haben, die anzugreifen, die sie bezahlen. Anstatt Stadionverbote als das zu deklarieren, was sie eigentlich sind, nämlich eine Bestrafung, lässt man sich vom DFB vor den Karren spannen und will der Fangemeinde mitverantwortlich suggerieren, es handle sich hier um präventive (vorbeugende) Maßnahmen.
Stadionverbote sind zwar im materiell-rechtlichen Sinn keine Strafe, sanktionieren aber ein bestimmtes Verhalten, das von Polizei/Ordnern/Vereinen als Unrecht qualifiziert wird (was im Übrigen die Definition von Strafe ist), ohne dass allerdings eine objektive Prüfung der Vorwürfe durch ein Gericht erfolgt ist. Die Fanprojekte in Form der BAG haben die Chance vertan, Stadionverbote als das zu bezeichnen, was sie sind: Ungerecht, willkürlich und sozialpädagogisch sinnlos! Es hätte aus dieser Richtung ein klares Zeichen kommen müssen, dass die SVRi nicht verschärft werden dürfen. Sie hätten abgeschwächt werden müssen, im besten Fall hätte sogar die Feststellung getroffen werden müssen, dass eine von einem Verband erfundene private Rechtsordnung unzulässig ist.
3.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Sicherheitsbeauftragten der Vereine bzw. der DFB selbst kaum einen Zweifel daran ließen, dass das SV einen Strafcharakter hat. Meist unreflektiert haben Vereine/DFB auf Zuruf der Polizei die Verbote ausgesprochen. Eine Unschuldsvermutung galt nie und wird/soll auch in Zukunft nicht gelten. Auch die nun von der BAG hochgejubelte Anhörung/Stellungnahme ist ein Witz, da es sich um eine „Soll”- und keine „Muss“-Bestimmung handelt. Hier fehlt zudem der Satz: „Ohne Anhörung des Betroffenen darf das Stadionverbot nicht ausgesprochen werden. Die Stellungnahme darf nicht an Ermittlungsbehörden bzw. Dritte weitergegeben werden“ — ähnlich wie im Fall eines Arbeitnehmers, dessen Kündigung ohne die Anhörung eines Betriebsrats unzulässig ist. Der springende Punkt ist dabei, dass es für Arbeitnehmer Rechte gibt, für Fußballfans nicht.
4.
Es gibt Vereine, die mit dem Thema Stadionverbot wirklich seriös umgegangen sind. Die absoluten Negativbeispiele sind Vereine wie Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, Schalke 04, Bayern München oder der VfL Wolfsburg. Allzu gerne werden bei diesen Vereinen Stadionverbote nach dem „Gießkannenprinzip“ ausgesprochen. Wolfsburg hatte beispielsweise „Blankostadionverbote“ für die Polizei unterschrieben, so dass diese nur noch Namen und Anschrift eintragen mussten.
Bei vielen Vereinen werden Anhörungen nicht gewährt, und wenn doch, werden sie nicht berücksichtigt. Das Problem nach Aussprache eines Stadionverbotes ist, dass es äußerst schwierig ist, das Stadionverbot wieder aufzuheben — vor allem in den Fällen, in denen überhaupt keine Gründe für ein Stadionverbot genannt werden. Viele Staatsanwaltschaften stellen zum Beispiel Verfahren ein, ohne die Betroffenen darüber zu informieren, so dass diese erst umständlich Erkundigungen einziehen müssen, wie der Sachstand denn ist. Seit der Einstellung des Verfahrens ist dann meist schon geraume Zeit verstrichen, in der die Betroffenen ausgesperrt waren, aber aufgrund der fehlenden Information keine Aufhebung des Stadionverbots beantragen konnten.
Ein weiterer negativer Trend ist, dass die Vereine „ihre“ Heimfans bei Stadionverboten anders behandeln als die Gästefans. Dies liegt vorallem daran, dass beispielsweise die Rechtshilfen auf die Vereine zugehen und mit ihnen verhandeln oder die heimische, aktive Fanszene sich für ihre Mitglieder einsetzt, was bei Gästefans oft nur schwer möglich ist.
5.
Wünschenswert wäre es, wenn von dem Instrument des Stadionverbots komplett abgesehen würde, da diese Maßnahme in keinster Weise überzeugt hat bzw. kein belegbarer Beweis dafür geliefert werden kann, dass ein Stadionbesuch dadurch sicherer wird.
Nun aber wurde ein Papier geschaffen, das keine Verbesserungen für die Fans beinhaltet. Die Vereine werden genau so weitermachen wie bisher, und so werden auch in den kommenden Jahren viele Jugendliche, wohlgemerkt ohne rechtskräftig verurteilt worden zu sein, da sein müssen, wo es ihnen besonders weh tut – vor den Toren der Stadien. Und dies ist beabsichtigt, will man doch die Kurven nach und nach auflösen und durch Eventpublikum füllen, das sich kommentar- und kritiklos der Berieselung durch den Kommerz hingibt.
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