Es ist der 30.07.2019 — eine Meldung verbreitet sich in den sozialen Medien und auf diversen (un-)bekannten Fußballfanplattformen wie ein Lauffeuer — unsere Freunde aus Zwickau, die Ultragruppe RED KAOS 1997, fährt nicht zum Auswärtsspiel zu den Münchner Löwen. Auslöser sind die Meldungen des FSV Zwickau und des Fanprojekt Zwickau über ein angebliches Verbot der Auswärtssfahne der Zwickauer Ultras und, dass eben diese treuen Anhänger der Westsachsenkicker nun daraufhin nicht nach München reisen werden.
Grund für die Untersagung sei laut Meldung die Auffassung der Staatsanwaltschaft München, dass das in griechischer Schriftart abgebildete “S” im Schriftzug „RED KAOS“ den Tatbestand des § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) erfüllen würde. Nicht nur die Verantwortlichen des FSV Zwickau sprechen von einer “hanebüchenen Beurteilung durch die Münchner Staatsanwaltschaft”. Es beginnen rege Diskussionen im Internet und auf den sozialen Plattformen. US-amerikanische Rockbands, griechische Restaurants oder Müller-Joghurts müssen nun für Vergleiche herhalten. Vermeintliche Szenekenner versuchen nun die Gruppe politisch einzuordnen. Noch am Spieltag selber, also einen Tag nach der Meldung, dementierte die Staatsanwaltschaft ein Verbot der Zaunfahne gegenüber der Münchner Abendzeitung. Man sei ja keine Fahnenprüfungsstelle, bestätigte aber, dass es sich bei dem stilisierten “S” um einen möglichen Straftatsbestand nach § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) handeln könnte. Die Ultras machten alles richtig. Sie bleiben dem Trubel in München fern und zeigten bei den nächsten Spielen in der Fremde ihre Zaunfahne, bis zur Klärung des Sachverhalts, erstmal nicht. Somit beugte die Gruppe einer Beschlagnahmung der eigenen Zaunfahne durch die Polizei vor, immerhin wäre die Zaunfahne Tat- und Beweismittel.
Grund für all diese Maßnahmen und Wirrungen ist ein formell unbedeutendes Auswärtsspiel bei der Spielvereinigung Unterhaching am 14.04.2019. Die Ultras betreten den Gästeblock, wie üblich wird in den ersten Reihen die Fahne der Gruppe REDKAOS aufgehangen. Eingesetzte Polizisten werden nun auf diese Fahne aufmerksam — man sehe eine Ähnlichkeit mit der Verbotenen Sigrune, welche als Erkennungszeichen des sog. “Deutschen Jungvolks”, einer Unterorganisation der Hitler-Jugend, sowie der Waffen-SS diente. Mit dem Untergang des Hitler-Faschismus wurden diese Organisationen und deren Zeichen verboten.
Einer der Mitverantwortlichen für das Anbringen der Fahne wird nach dem Spiel vorläufig festgenommen und es folgte eine Identitätsfeststellung. Die Polizei beginnt nun mit den Ermittlungen, welche an die Staatsanwaltschaft übergeben wurden und zu obigen Spieltag ihren unrühmlichen Höhepunkt fanden. Am 02.09.2019 stellte die Staatsanwaltschaft München das Verfahren gegen den Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Gründe sind einfach wie wichtig für die Zwickauer Ultragruppe RED KAOS: Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen, dass ein Kennzeichen einer NS-Organisation auf der Zaunfahne Verwendung fand. Zwar ähnelt der stilisierte Buchstabe “S” grundsätzlich der sog. Sigrune, es ist aber auf den objektiven flüchtigen Betrachter abzustellen, ob eine die Darstellung zum Verwechseln ähnlich ist. Die Rune in der damaligen Verwendung wurde durch zwei verschobene und sich berührende Parallelogramme dargestellt, sodass die Darstellung des “S” der Zwickauer Ultras nicht der damaligen und heutigen strafbaren Gestaltung entspricht. Der strafbare Bereich ist somit durch eine entsprechend ähnliche Gestaltung stark eingeengt. Die gewählte Darstellung auf der Zaunfahne weist nunmal nicht die typisch geblockte Darstellung durch Parallelogramme auf. Außerdem hebt sich die Gestaltung des “S” nicht von den anderen Buchstaben auf der Zaunfahne ab, das “S” wird maßgeblich als Teil des gesamten optischen Schriftzuges der Zaunfahne wahrgenommen.
Somit sollte für die Zukunft die rechtliche Einordnung dieser Zaunfahne und das typische griechisch-anmutende “S” geklärt sein.
Die Schwarz-Gelbe Hilfe war von Anfang an mit dem Verfahren vertraut, half kurzerhand mit der Vermittlung einer Anwältin für den Betroffenen und begleitete die Zwickauer Freunde bis zum Abschluß des Verfahrens.
Bildquelle: www.erlebnis-stadion.de