Wir schreiben den 01.02.2015, die Temperaturen sind kalt und die Dresdner Dynamos bestreiten ihr erstes Ligaspiel seit dem Jahreswechsel im Preußenstadion Münster. Im Vorfeld des Spiels geht Rüdiger* seiner ehrenamtlichen Arbeit für die Fanszene nach, er sammelt am Stadioneingang Zaunfahnen der jeweiligen Dynamofanclubs ein. Anhänger kommen zu ihm, begrüßen ihn herzlich und geben ihr liebstes Stück Stoff in seine verantwortungsvollen Hände. Wie fast zu jedem Auswärtsspiel begibt er sich mit weiteren schwarz-gelben Anhängern zum Eingang und lässt die Rucksäcke durch den Ordnungsdienst kontrollieren, um wenig später die Zaunfahnen vom Innenraum des Stadions aufzuhängen.
Während es am Eingang zu Tumulten mit der Polizei und dem Sicherheitsdienst kommt, beginnt ein paar Tore weiter für Rüdiger die Routine des Auswärtsspiels, doch diesmal wird diese gestört. In einem der Rucksäcke kommt ein schwarz-weiß-grüner Stoff zum Vorschein. Der Ordnungsdienst zieht die Polizei mit hinzu, von allen Beteiligten werden die Personalien und Identitäten festgestellt. Die gestohlene Zaunfahne der Preußenfans wird von der Polizei konfisziert. Auch wenn Rüdiger nicht in Gewahrsam genommen wird und er sich für unschuldig hält, für ihn ist der Spieltag gelaufen. Mit seinen Bedenken zu der Situation wendet er sich noch vor Anpfiff des Spiels, als Mitglied der ersten Stunde, an die Schwarz-Gelbe Hilfe.
Einige Zeit vergeht, gegen Rüdiger wird zu seinem Glück kein Stadionverbot ausgesprochen. Er kann weiterhin seiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Parallel dazu nimmt die Polizei die Ermittlungen auf, Vorladungen werden verschickt und die SGH vermittelt Rüdiger einen Anwalt. Im September 2015 erhält Rüdiger die Anklageschrift — Vorwurf: Unterschlagung nach § 246 StGB. Als Unterschlagung bezeichnet man das vorsätzliche, rechtswidrige Aneignen einer fremden beweglichen Sachen zu seinen oder zugunsten von Dritten. Nach aktueller Rechtsprechung reicht es aus, dass der Wille eines Täters durch eine nach außen erkennbare Handlung bestätigt wird. Als Indiz reicht das nachträgliche Verhalten eines vermeintlichen Täters, also das Verbergen des Gegenstandes, Bezeichnung des Gegenstandes als eigener Besitz usw. zur Verurteilung aus.
Die Verhandlung vorm Amtsgericht startete nun Anfang Oktober. Nach anwaltlicher Beratung sagt Rüdiger als Beschuldigter vor Gericht aus. Er beschrieb seine ehrenamtliche Arbeit und den Ablauf bei Spielen der SG Dynamo Dresden, der sich eigentlich nicht vom Spiel in Münster unterschied. Der vorsitzende Richter stellte ergänzende Fragen zum eigenen Verständnis und der Urteilsfindung. Auch Rüdigers Kollegen wurden als Zeugen vernommen. Diese bestätigten, dass man den Großteil der Zaunfahne von anderen Dynamofans erhält und das dieses Verhältnis auf gegenseitiges Vertrauen basiert. Ein, als Zeuge geladener, Polizist konnte zum Prozess wenig beitragen, da dieser nur indirekt an der Maßnahme am Eingang des Preußenstadions beteiligt war. Der Richter erkannte schnell das Rüdiger unschuldig war und sprach ihn anschließend frei. Nach etwas mehr als einer halben Stunde endete die Gerichtsverhandlung. Die Kosten für den Prozess und Rüdigers Anwalt muss nun die Staatskasse zahlen.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe
* Name von der SGH geändert