Dezember 2013 — Der Sonderzug der Dynamofans rollt auf der Alm ein. Es kommt zu Auseindersetzungen zwischen den Fans und der Polizei im Bahnhof und auf dem Weg zum Stadion. Dabei soll es laut Polizeibericht u.a. zu einem Angriff mit Pfefferspray auf einen Polizeibeamten gekommen sein. Die Vorfälle rund um dieses Spiel in Bielefeld führten zu einem großen bundesweiten medialen Echo. So wurde u.a. auch publiziert, dass versucht worden sein soll, die Polizeikräfte “zu entwaffnen”. Als Reaktion auf den Tag veranlasste die Polizei im Nachgang eine sogenannte “Öffentlichkeitsfahndung”.
Auch in dem am 01.07.2015 vor dem Amtsgericht Bielefeld verhandelten Verfahren wurde zuvor die Vermutung aufgestellt, das dort eingesetzte Reizgas sei zuvor Einsatzkräften entwendet worden. Diese Vermutung konnte jedoch nicht bestätigt werden. Die Person, die den Angriff ausgeübt hat, war wohl mit einer “üblichen” Dynamo-Mütze sowie dem damals vielfach getragenen gelben Regenponcho bekleidet. Ein Erkennen der Person war auf dem polizeilichen Videoband jedoch nicht möglich.
Matthias, der angeklagte Dynamofan, trug auf dem Weg zum Stadion ebenfalls eine entsprechende schwarz-gelbe Mütze und das “gelbe Gewand”. Ein Mehr an Übereinstimmung oder andere verlässliche Erkennungsmerkmale der Person gab es jedoch nicht. Auf einer Videosequenz war zu erkennen, wie sich Matthias die Mütze aufgesetzt hatte. Danach folgte ein “Schnitt” in der polizeilichen Aufzeichnung. Die Aufzeichnung des Videomaterials setzte erst ca. 10 Minuten später und an einem anderen Ort wieder ein.
“Dass es sich bei der angreifenden Person um meinen Mandanten handeln solle, sollte sich aus dem Umstand ergeben, dass der Buchstabe “E” in dem Dresden Schriftzug auf der Mütze bei dem Mandanten beim Aufsetzen, wie gesagt ca. 10 Minuten vorher und ohne durchgehende Kameraverfolgung, ungefähr im gleichen Bereich über der Nasenwurzel, wie bei der angreifenden Person, befunden habe. Gleichzeitig ergab sich jedoch aus dem Bildmaterial und wurde bei der Auswertung auch von den Ermittlern erkannt und aufgeführt, dass der Mützenrand unterhalb der Aufschrift deutlich schmaler als bei dem unbekannten Täter gewesen ist . Es lag also ebenfalls ein klar entlastender Umstand vor.” so der verteidigende Anwalt Dr. Andreas Hüttl.
Gleichwohl wurde aufgrund dieses doch recht dünnen Verdachtsmoments eine Hausdurchsuchung bei Matthias vorgenommen. Gefunden wurde dort eine Mütze, wie sie Matthias unstrittig auf dem Weg zum Stadion getragen hatte. Weitere belastende Gegenstände, wie etwa das eingesetzte Pfefferspray, wurden jedoch nicht aufgefunden. Obwohl das Ermittlungsergebnis u.a. aufgrund einer erfolglosen Hausdurchsuchung noch immer recht dünn war, wurde anschließend Anklage vor dem Bielefelder Amtsgericht erhoben.
Zum Termin vor Gericht wurde das der Akte beigefügte Videomaterial eingesehen. Das Gericht wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwischen den in der Akte befindlichen aufgezeichneten Videosequenzen ca.10 Minuten des Zeitablaufes gewesen sind und dass es sich bei der entsprechende Dynamo-Mütze um einen wohl tausendfach verkauften Fanartikel handelt. Auch der Unterschied in der Breite unter der Schrift zum Mützenrand wurde dem Richter ausgiebig erörtert.
Da andere Erkennungsmerkmale nicht vorlagen, wurde recht schnell klar, dass ein verlässliches Identifizieren des Angreifers und damit ein Tatnachweis gegen Matthias nicht geführt werden konnte.
Dass dies alleine für eine Verurteilung nicht ausreichend ist, erkannte letztlich auch die Staatsanwaltschaft, die zum Termin in Vertretung erschien und somit das Beweisvideo zum ersten Mal begutachten durfte. Beide Parteien, sowohl Verteidigung, als auch Staatsanwaltschaft, beantragten einen Freispruch. Nach einer nur halbstündlichen Verhandlung konnte Matthias das Gericht mit einem Freispruch verlassen.
“Mein Mandant hatte den Vorwurf über die gesamte Zeit des Ermittlungsverfahrens und auch im Termin vor dem Gericht bestritten. Er sah sich dem Verfahren, der Hausdurchsuchung und dem Gerichtstermin alleine aus dem Grund ausgesetzt, dass er eine Mütze getragen hatte, die eben ein anderer bei seiner Straftat auch getragen hatte.” so das Fazit des Anwalts.
Erneut zeigt sich, wie schnell Fans in den Fokus polizeilicher Ermittlungen geraten können, die zu erheblichen Grundrechtseingriffen wie eben zu einer Hausdurchsuchung führen. Auch dass Matthias allein wegen der Einleitung des Verfahrens, welches wie gesagt mit einem Freispruch endete, mit einem Stadionverbot belegt wurde, sollte nicht unerwähnt bleiben. Dieses muss nun unverzüglich aufgehoben werden. Auch in diesem Schritt wird ihn die Schwarz-Gelbe Hilfe unterstützen.
Die Kosten für das Verfahren und den Anwalt trägt im Übrigen nun die Staatskasse.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe