Frei­spruch in Bie­le­feld — Wenn der Beweis eine Mütze ist!

5 Aug 2015 | Abgeschlossene Verfahren

Dezem­ber 2013 — Der Son­der­zug der Dyna­mo­fans rollt auf der Alm ein. Es kommt zu Aus­ein­der­set­zun­gen zwi­schen den Fans und der Poli­zei im Bahn­hof und auf dem Weg zum Sta­dion. Dabei soll es laut Poli­zei­be­richt u.a. zu einem Angriff mit Pfef­fer­spray auf einen Poli­zei­be­am­ten gekom­men sein. Die Vor­fälle rund um die­ses Spiel in Bie­le­feld führ­ten zu einem gro­ßen bun­des­wei­ten media­len Echo. So wurde u.a. auch publi­ziert, dass ver­sucht wor­den sein soll, die Poli­zei­kräfte “zu ent­waff­nen”. Als Reak­tion auf den Tag ver­an­lasste die Poli­zei im Nach­gang eine soge­nannte “Öffent­lich­keits­fahn­dung”.

Auch in dem am 01.07.2015 vor dem Amts­ge­richt Bie­le­feld ver­han­del­ten Ver­fah­ren wurde zuvor die Ver­mu­tung auf­ge­stellt, das dort ein­ge­setzte Reiz­gas sei zuvor Ein­satz­kräf­ten ent­wen­det wor­den. Diese Ver­mu­tung konnte jedoch nicht bestä­tigt wer­den. Die Per­son, die den Angriff aus­ge­übt hat, war wohl mit einer “übli­chen” Dynamo-Mütze sowie dem damals viel­fach getra­ge­nen gel­ben Regen­pon­cho beklei­det. Ein Erken­nen der Per­son war auf dem poli­zei­li­chen Video­band jedoch nicht möglich.

Mat­thias, der ange­klagte Dyna­mo­fan, trug auf dem Weg zum Sta­dion eben­falls eine ent­spre­chende schwarz-gelbe Mütze und das “gelbe Gewand”. Ein Mehr an Über­ein­stim­mung oder andere ver­läss­li­che Erken­nungs­merk­male der Per­son gab es jedoch nicht. Auf einer Video­se­quenz war zu erken­nen, wie sich Mat­thias die Mütze auf­ge­setzt hatte. Danach folgte ein “Schnitt” in der poli­zei­li­chen Auf­zeich­nung. Die Auf­zeich­nung des Video­ma­te­ri­als setzte erst ca. 10 Minu­ten spä­ter und an einem ande­ren Ort wie­der ein.

“Dass es sich bei der angrei­fen­den Per­son um mei­nen Man­dan­ten han­deln solle, sollte sich aus dem Umstand erge­ben, dass der Buch­stabe “E” in dem Dres­den Schrift­zug auf der Mütze bei dem Man­dan­ten beim Auf­set­zen, wie gesagt ca. 10 Minu­ten vor­her und ohne durch­ge­hende Kame­ra­ver­fol­gung, unge­fähr im glei­chen Bereich über der Nasen­wur­zel, wie bei der angrei­fen­den Per­son, befun­den habe. Gleich­zei­tig ergab sich jedoch aus dem Bild­ma­te­rial und wurde bei der Aus­wer­tung auch von den Ermitt­lern erkannt und auf­ge­führt, dass der Müt­zen­rand unter­halb der Auf­schrift deut­lich schma­ler als bei dem unbe­kann­ten Täter gewe­sen ist . Es lag also eben­falls ein klar ent­las­ten­der Umstand vor.” so der ver­tei­di­gende Anwalt Dr. Andreas Hüttl.

Gleich­wohl wurde auf­grund die­ses doch recht dün­nen Ver­dachts­mo­ments eine Haus­durch­su­chung bei Mat­thias vor­ge­nom­men. Gefun­den wurde dort eine Mütze, wie sie Mat­thias unstrit­tig auf dem Weg zum Sta­dion getra­gen hatte. Wei­tere belas­tende Gegen­stände, wie etwa das ein­ge­setzte Pfef­fer­spray, wur­den jedoch nicht auf­ge­fun­den. Obwohl das Ermitt­lungs­er­geb­nis u.a. auf­grund einer erfolg­lo­sen Haus­durch­su­chung noch immer recht dünn war, wurde anschlie­ßend Anklage vor dem Bie­le­fel­der Amts­ge­richt erhoben.

Zum Ter­min vor Gericht wurde das der Akte bei­gefügte Video­ma­te­rial ein­ge­se­hen. Das Gericht wurde aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass zwi­schen den in der Akte befind­li­chen auf­ge­zeich­ne­ten Video­se­quen­zen ca.10 Minu­ten des Zeit­ab­lau­fes gewe­sen sind und dass es sich bei der ent­spre­chende Dynamo-Mütze um einen wohl tau­send­fach ver­kauf­ten Fan­ar­ti­kel han­delt. Auch der Unter­schied in der Breite unter der Schrift zum Müt­zen­rand wurde dem Rich­ter aus­gie­big erörtert.

Da andere Erken­nungs­merk­male nicht vor­la­gen, wurde recht schnell klar, dass ein ver­läss­li­ches Iden­ti­fi­zie­ren des Angrei­fers und damit ein Tat­nach­weis gegen Mat­thias nicht geführt wer­den konnte.

Dass dies alleine für eine Ver­ur­tei­lung nicht aus­rei­chend ist, erkannte letzt­lich auch die Staats­an­walt­schaft, die zum Ter­min in Ver­tre­tung erschien und somit das Beweis­vi­deo zum ers­ten Mal begut­ach­ten durfte. Beide Par­teien, sowohl Ver­tei­di­gung, als auch Staats­an­walt­schaft, bean­trag­ten einen Frei­spruch. Nach einer nur halb­stünd­li­chen Ver­hand­lung konnte Mat­thias das Gericht mit einem Frei­spruch verlassen.

“Mein Man­dant hatte den Vor­wurf über die gesamte Zeit des Ermitt­lungs­ver­fah­rens und auch im Ter­min vor dem Gericht bestrit­ten. Er sah sich dem Ver­fah­ren, der Haus­durch­su­chung und dem Gerichts­ter­min alleine aus dem Grund aus­ge­setzt, dass er eine Mütze getra­gen hatte, die eben ein ande­rer bei sei­ner Straf­tat auch getra­gen hatte.” so das Fazit des Anwalts.

Erneut zeigt sich, wie schnell Fans in den Fokus poli­zei­li­cher Ermitt­lun­gen gera­ten kön­nen, die zu erheb­li­chen Grund­rechts­ein­grif­fen wie eben zu einer Haus­durch­su­chung füh­ren. Auch dass Mat­thias allein wegen der Ein­lei­tung des Ver­fah­rens, wel­ches wie gesagt mit einem Frei­spruch endete, mit einem Sta­di­on­ver­bot belegt wurde, sollte nicht uner­wähnt blei­ben. Die­ses muss nun unver­züg­lich auf­ge­ho­ben wer­den. Auch in die­sem Schritt wird ihn die Schwarz-Gelbe Hilfe unterstützen.

Die Kos­ten für das Ver­fah­ren und den Anwalt trägt im Übri­gen nun die Staatskasse.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

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