Fuß­ball­fans als Spiel­ball des Antiterror-Kampfes? — Teil 1

21 Dez 2015 | Blick über den Tellerrand, Repression

Die Ter­ror­an­schläge von Paris durch Anhän­ger des soge­nann­ten “Isla­mi­schen Staat” sind seit etwa einem Monat Geschichte. Der Ter­ror, der tag­täg­lich in Syrien und dem Irak tobt, vor dem inzwi­schen meh­rere Mil­lio­nen Men­schen auf der Flucht sind, fand nach den Angrif­fen auf das Sati­re­ma­ga­zin Char­lie Hebdo ein zwei­tes Mal mit­ten in Europa sein Ziel. Neben den unzäh­li­gen Opfern, den Ver­letz­ten und den vie­len Hin­ter­blie­be­nen blei­ben vor allem die schreck­li­chen Bil­der die­ses Anschlags in den Köp­fen vie­ler unver­ges­sen. In der Öffent­lich­keit, aber auch im Stil­len wur­den Mit­ge­fühl und Bei­leid den Opfern und deren Ange­hö­ri­gen aus­ge­spro­chen. Eine Tat, die mit Nichts zu ent­schul­di­gen ist und noch weit­rei­chende Fol­gen für die Demo­kra­tie in Europa haben wird.

Par­al­lel zu einer drei­tä­gi­gen Staats­trauer hatte der regie­rende fran­zö­si­sche Staats­prä­si­dent Fran­çois Hol­lande zugleich den Aus­nah­me­zu­stand für Frank­reich aus­ge­ru­fen. Als unmit­tel­bare Reak­tion auf die Anschläge ver­schärf­ten zunächst fast alle euro­päi­schen Län­der ihre Sicher­heits­maß­nah­men. Der offene Grenz­ver­kehr, in Europa durch das Schengen-Abkommen gere­gelt, wurde teil­weise aus­ge­setzt und Grenz­kon­trol­len, vor allem an Frank­reichs Außen­gren­zen wie­der ein­ge­führt. Eine Woche nach den Ereig­nis­sen rief Bel­gien die höchste Ter­ror­warn­stufe für die Haupt­stadt Brüs­sel aus. Neben Frank­reich und Bel­gien führ­ten auch andere Län­der der Euro­päi­schen Union zahl­lose Raz­zien in ver­meint­lich islamistisch-fundamentalistischen Krei­sen durch, teils erfolg­reich, mehr­fach aber aller­dings ohne Erfolg für die Behörden.

Am 19. Novem­ber 2015 folgte die fran­zö­si­sche Natio­nal­ver­samm­lung Hol­lande und stimmte der Ver­län­ge­rung des Aus­nah­me­zu­stan­des um drei Monate per Gesetz zu.
Der Aus­nah­me­zu­stand ermög­licht der Poli­zei ohne Durch­su­chungs­be­fehl Woh­nun­gen zu durch­su­chen und mut­maß­li­che Ver­däch­tige unter Haus­ar­rest set­zen. So kam es nach Anga­ben der New York Times als Reak­tion auf die Ver­hän­gung des Aus­nah­me­zu­stan­des allein in Frank­reich in den ers­ten zehn Tagen zu mehr als 1.000 Haus­durch­su­chun­gen und ins­ge­samt 117 Festnahmen.

Die geplan­ten Pro­teste, Kund­ge­bun­gen und Demons­tra­tio­nen am Rande der UN-Klimakonferenz in Paris wur­den abge­sagt oder ver­bo­ten. Als sich am 29. Novem­ber trotz Ver­bots demo­kra­ti­scher Grund­rechte meh­rere tau­sende Kli­ma­schutz­ak­ti­vis­ten am Place de la Répu­bli­que ver­sam­mel­ten, um gegen die nach den Anschlä­gen ver­häng­ten gene­rel­len Demonstrations- und Ver­samm­lungs­ver­bote mit Rufen wie “Aus­nah­me­zu­stand — Poli­zei­staat” pro­tes­tier­ten, griff die Poli­zei die Men­schen mit Schlag­stö­cken und Trä­nen­gas an. Ins­ge­samt wur­den währ­rend der Pro­teste mehr als 340 Men­schen vor­über­ge­hend fest­ge­nom­men. Es folg­ten für die Demons­tran­ten teil­weise dra­ko­ni­sche Stra­fen in soge­nann­ten Schnellverfahren.

Doch auch wir Fuß­ball­fans müs­sen uns inzwi­schen mit den poli­ti­schen Fol­gen der Anschläge aus­ein­an­der­set­zen. Die Angriffs­se­rie am Frei­tag­abend des 13. Novem­bers rich­tete sich auch gegen die Zuschauer des Fuß­ball­spiels im Stade de France. Einer der drei Selbst­mord­at­ten­tä­ter soll Zei­tungs­be­rich­ten zufolge 15 Minu­ten nach Spiel­be­ginn ver­sucht haben, ins Sta­dion zu gelan­gen. Ein Sicher­heits­mann kon­trol­lierte den Täter und ent­deckte eine Spreng­stoff­weste, wor­auf­hin der Atten­tä­ter flüch­tete und sich unweit des Sta­di­ons in die Luft sprengte und dabei einen Pas­san­ten mit in den Tod riss.

Dass dar­auf­hin einige Fuß­ball­län­der­spiele , auf Grund von Ter­ror­warn­stu­fen bzw. ‑hin­wei­sen abge­sagt wur­den, ist vor dem Hin­ter­grund der weni­gen Tage alten Ereig­nisse nach­voll­zieh­bar. Deut­lich weni­ger Ver­ständ­nis ern­tete jedoch das durch das fran­zö­si­sche Innen­mi­nis­te­rium ver­an­lasste lan­des­weit gel­tende Gäs­te­fan­ver­bot für Spiele der 1. & 2. Liga, dem Pokal und den inter­na­tio­na­len Begeg­nun­gen des Euro­pa­po­kals. Diese Maß­nahme wurde damit begrün­det, dass man auf­grund der aktu­el­len Situa­tion im Staat die Poli­zei­kräfte, die zur Ter­ror­be­kämp­fung, aber auch zur Siche­rung der Kli­ma­kon­fe­renz in Paris benö­tigt wer­den, ein­ge­spart wer­den sol­len. Doch diese Begrün­dung ist mit Blick auf die Ver­gan­gen­heit haar­sträu­bend. Schon seit meh­re­ren Jah­ren, spe­zi­ell seit der Ein­füh­rung einer Anti-Gewalt Stra­te­gie im Jahr 2012 durch die Klubs der Ligue Un und des Innen­min­s­te­ri­ums, fan­den kaum Der­bies bzw. Sicher­heits­spiele mit Zuschau­ern des Gäs­te­team statt bzw. wenn, wur­den diese stark reglementiert.

In Bel­gien ging man sogar noch einen Schritt wei­ter und sperrte eine zeit­lang alle Fans und Zuschauer aus den Fuß­ball­sta­dien aus. Trotz des all­ge­mein gro­ßen Ver­ständ­nis­ses für die bedroh­li­che Lage wer­den vor allem die Ver­ant­wort­li­chen der bel­gi­schen Liga kri­ti­siert. „Die Jupi­ler Pro League hat voll­kom­men ver­sagt”, schil­derte der Sport­jour­na­list Mike Noter­mans die Situa­tion am 26. Novem­ber im bel­gi­schen Grenz-Echo. „Sowohl das bel­gi­sche Innen­mi­nis­te­rium als auch die Sicher­heits­be­hör­den haben am letz­ten Wochen­ende ein­dring­lich War­nun­gen aus­ge­spro­chen und emp­foh­len, den kom­plet­ten Spiel­tag abzu­sa­gen. Die Pro League hat sich dar­über hin­weg­ge­setzt und die Spiele statt­fin­den las­sen”, kri­ti­siert Noter­mans. Anschlie­ßend soll­ten die jewei­li­gen Bür­ger­meis­ter der Städte über die Bewil­li­gung von Fans ent­schei­den. „Die Liga ent­zieht sich ein­fach der Ver­ant­wor­tung, obwohl es ihre Auf­gabe ist.” so Notermanns.

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