Kommen wir nun nach Deutschland. Hier sorgten vor allem Äußerungen des Innenministers Nordrhein-Westfalens, Ralf Jäger (SPD), im Nachgang der Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Mainz für Stirnrunzeln in den aktiven Fußballfanszenen. Der Innenminister wollte an bestimmten Spieltagen weniger Karten für Gästefans ausgeben. So sollen neben der mittlerweile üblich gewordenen Reduzierung des Gästekontigents bei Hochsicherheitsspielen, auch ganz normale Spiele in der ersten bis dritten Liga betroffen sein. Mit weniger Gästefans, könnte auch die Zahl der an den Spieltagen eingesetzten Beamten verringert werden, so die Schlußfolgerung Jägers. Dies würde die NRW-Polizei speziell an Feiertagen wie dem 1. Mai oder dem “Tag der deutschen Einheit” entlasten. Wie stark das Gästekontingent verkleinert werden soll und welche Ligen betroffen sind, ist dabei noch völlig unklar. Nach Informationen des WDR habe Jäger das Thema grundsätzlich mit den anderen Innenministern am Freitag besprochen und dabei wohl viel Zustimmung für seinen Vorschlag erhalten. Gemeinsam soll nun das Gespräch mit der DFL und dem DFB gesucht werden.
Dass dieser Vorschlag für mehr Sicherheit in deutschen Fußballstadien und eine Verringerung der Polizeikräfte sorgen wird, ist jedoch abwegig. Ein Blick auf die vergangenen Spieltage zeigt, dass in den meisten Fällen genau das Gegenteil zutraf. So hatten sich schon am 16.03.2012 hunderte Dynamofans als Reaktionen auf die Aussperrungen von Gästefans mit Karten für den Auswärtsauftritt bei der Frankfurter Eintracht versorgt. Viele weitere Fanszenen trotzten ähnlichen Sanktionen mit gleichem Muster und schafften eine für Polizei und Ordnungsdienst brennzlige Lage. Nur dank des besonnenen Auftretens aller Fanszenen in solchen Situation kam es zu keinerlei Auseinandersetzungen in den Stadien. Als Anhänger des FC Hansa Rostock bei ihrem Gastspiel (22.04.2012) auf St. Pauli ausgesperrt wurden, demonstrierten diese kurzerhand in Stadionnähe mit mehreren hundert Anhängern. Die Polizei musste die Demonstration und den Spieltag mit einem Großaufgebot absichern, von einer Verringerung des Polizeiapparates konnte in allen Fällen nicht gesprochen werden.
Derzeit läuft eine Onlinepetition des Internetportals Faszination Fankurve gegen die Vorstoß der Innenminister. Doch leider sind die Fußballfans erneut in einem Kampf gegen Einschränkungen des Fußballalltags auf sich allein gestellt. Im Schatten von Terror lassen sich populistische Entscheidungen besser treffen.
Doch in den Tagen vor Weihnachten bekommt nun auch der Antiterrorkampf der Bundesrepublik ein schlagkräftiges Gesicht. Am 16. Dezember stellte der deutsche Innenminister, Thomas de Maizière (CDU), die neue Einsatztruppe, mit dem Namen BFE +, der Bundespolizei in Blumberg bei Berlin vor. Auch die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Bundespolizei soll nun eine weitere, effizientere und ca. 250 Mann starke Truppe bekommen. Als Stützpunkte kommen laut Innenministerium, neben Blumberg, vor allem die Standorte der weiteren bestehenden Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften (BFHu) der Bundespolizei in Sankt Augustin, Hünfeld, Bayreuth und Uelzen in Betracht.
Die Auswirkungen einer solchen neuen Eingreiftruppe, auch für Fußballfans, erschließt sich erst mit dem Blick auf die Bedeutung der Bundespolizei in Deutschland. Der Umbenennung des damaligen Bundesgrenzschutz (BGS) zur Bundespolizei (BPol) im Jahr 2005 waren Reformen vorausgegangen, die darauf abzielten, diese Institution mit mehr polizeilichen Befugnissen auszustatten. Neben dem klassischen Grenzschutz, der Überwachung des Bahn- und Luftverkehrs, werden Bundespolizisten immer häufiger als Unterstützung in den Bundesländern eingesetzt. Formell besitzen zwar Angehörige der Bundespolizei nicht den vollständigen Handlungsspielraum wie Polizeieinheiten auf Länderebene, dennoch sind Beamte der Bundespolizei durch sogenannte Eilkompetenzen in den meisten Fällen zum Einschreiten ermächtigt. Da die Bundespolizei, wie oben schon erwähnt, ebenfalls geschlossene Einheiten (Einsatzhundertschaften, Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften etc.) unterhalten, werden diese immer häufiger mit der Prämisse der Amtshilfe bei Großveranstaltungen, wie Demonstrationen und eben Fußballspielen, auf Länderebene eingesetzt. Somit umgeht die Bundesrepublik nicht nur den Artikel 30 des Grundgesetz, der die Dezentralisierung der Gewaltenkonzentrierung auf Länderebene gewährleisten soll, sondern umgeht damit auch die Kenzeichnungspflicht von Polizeibeamten in den jeweiligen Bundesländern.
Der Polizeiwissenschaftler Behr bringt den martialischen Hintergrund der neuen BFE+ gegenüber Zeit-Online auf den Punkt: “Durch die neue Einheit bekommt die Polizei insgesamt ein militärischeres Gesicht. Das sind junge, clevere, hochmotivierte Beamte. Ich vermute, sie werden verstärkt auch bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingesetzt, zum Beispiel bei Razzien. Das ist ein sogenannter Spill-over-Effekt: Wenn man die neue Einheit schon mal hat, nutzt man sie.” Dies berichtigt allerdings ein Sprecher der Bundespolizei, denn im Unterschied zum großen Vorbild GSG 9 kann die BFE+ auch im normalen Alltag polizeilich agieren. So heißt es in einer Erklärung des Innenministeriums des Bundes: „Anders als die GSG 9 sollen die mit Spezialwaffen ausgerüsteten Beamten auch bei der Bereitschaftspolizei eingesetzt werden.“ Wie das in der Realität aussieht, wird vom Innenministerium nur vage umschrieben, denn bei jedem Einsatz, egal ob bei einer normalen Festnahme oder einem Fußballspiel, soll der “Rüstwagen” mitfahren, in dem die Waffen und die übrige Spezialausrüstung sind. Jederzeit soll die BFE+ abbiegen und zur Anti-Terror-Einheit werden können.
Es bleibt festzuhalten, dass künftig Einsätze dieser speziell ausgebildeten Bundespolizisten bei Fußballspielen in der Bundesrepublik nicht auszuschließen sind. Die sogennante Zehn-Prozent-Regelung soll zu Gunsten der Innenminister und derer Exekutivbehörden fallen. Der Fußball und seine Fans verbleiben somit als Spielball der populistische Reihen, deren Suche nach dem Nullgefahrenpotential niemals verebben wird.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe — „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ — Benjamin Franklin