Es gehört mittlerweile zum unbedingten Muss, Zeitungsartikel, Fernsehberichte und Meldungen verschiedenster Medien im Allgemeinen nach einem Auswärtsspiel unserer SGD mit kritischem Blick zu betrachten. Leider auch beim allerersten Auftritt unserer SGD auf der „Alm“ in Bielefeld. Das Spiel ist nun seit genau zwei Wochen Vergangenheit und mittlerweile haben sich die Berichte rund um die Geschehnisse in Bielefeld stark relativiert. Auch wir von der Schwarz-Gelben Hilfe haben einerseits selbst den langen Weg nach Ostwestfalen angetreten und andererseits das mediale Echo in den Tagen nach dem Spiel irritiert verfolgt.
Wieder einmal war von „schwer verletzten Polizeibeamten“ (NW-News), „schweren Ausschreitungen“ (MDR) und „Randalen“ (RP-online) die Rede. In diesem Text möchten wir uns daher mit der, unserer Meinung nach sehr emotionalen, Berichterstattung auseinandersetzen und euch Gesichtspunkte aufzeigen, die, wie sagt man so schön, „hinten runter gefallen“ sind. Es bleibt dabei jedoch festzuhalten, dass wir die sinnlose Gewalt gegenüber Unbeteiligten keinesfalls gutheißen noch unterstützen.
Ausgehen möchten wir vom Polizeibericht des Polizeipräsidiums Bielefeld. Dieser wurde am 7. Dezember um 00:48 Uhr veröffentlicht und hat bis zum heutigen Tag bestand.
Gleich zu Beginn ist von einem vermeintlichen Durchbruchsversuch von circa 250 Dynamofans durch eine Absperrung der Bundespolizei die Rede, welcher gleich nach Ankunft des Sonderzuges im Hauptbahnhof Bielefeld passiert sein soll. Unserer Meinung nach fand solch ein Durchbruch nicht statt. Vielmehr gab es anscheinend ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Polizeieinheiten. Durch dieses Missverständnis wurde eine Polizeikette abgezogen, welche die ankommenden Zugfahrer zum richtigen Ausgang leiten sollte (später war diese Polizeikette wieder vorhanden!). Die ersten hundert Zugfahrer strömten dadurch in die falsche Richtung, als Folge kam es zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock. Interessanterweise sieht das Fanprojekt Dresden dies ebenso.
Des Weiteren wird von 11 (zwei davon „erheblich“) durch Pfefferspray verletzten Polizeibeamten gesprochen. Dieses Pfefferspray hatten vorher Dresdner Fans der Polizei entwendet und dann de facto gegen diese eingesetzt. Seitens vieler Fußballanhänger, nicht nur von Dynamo, brachte man dieser Meldung stark Empörung und Verärgerung. Es grenzt an Ironie, wenn Polizeibeamte durch ihr eigenes gegen sie verwendetes Pfefferspray als schwer verletzt deklariert werden, doch der allwöchentliche, oft, massive Einsatz gegen Fußballfans oder Demonstranten nicht weiter Erwähnung findet. Pfefferspray wird seit Jahren von Polizisten gegenüber Fans eingesetzt. Berechtigt als auch unberechtigt, dann jedoch oftmals unter dem Deckmantel der „Deeskalation“. So gut wie immer ist mit einer nicht unerheblichen Zahl an unbeteiligten Opfern, welche in der Regel in keinem Polizeibericht und damit meistens auch in keiner Statistik Erwähnung finden, zu rechnen. Auch beim Spiel in Bielefeld traf es wieder unbeteiligte Dynamoanhänger. Allein bei der Schwarz-Gelben Hilfe haben sich innerhalb kürzester Zeit vierzehn Fans gemeldet. Laut Fanprojekt ist mit einer Zahl von mindestens 30–40 Fans zu sprechen, welche, folgt man der Rhetorik des Polizeiberichtes, durch Pfefferspray leicht bis schwer verletzt wurden. Für uns sind diese Zahlen nicht unerwartet, aber trotzdem erschreckend. Eine differenzierte Berichterstattung hätte daher speziell in diesem Fall Sinn gemacht, ja wäre geradezu nötig gewesen! Eine aufschlussreiche Auseinandersetzung um Pfefferspray und seinen Einsatz ist beispielsweise auf turus.net geschehen (turus Magazin, 10.12.2013,). Dort wird interessanterweise erwähnt, dass Pfefferspray aufgrund der Genfer Konvention im Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht gestattet ist. Dass dies jedoch landläufig hier niemanden zu interessieren scheint, wird Pfefferspray und Reizgas weiterhin rund um Fußballspiele inflationär gebraucht werden und dadurch viele verletzte Fans zur Folge haben.
Im oben aufgeführten Polizeibericht ist ebenso von einem „Einkaufsmarkt“ die Rede, vor dem Pfefferspray durch Dresdner Fans versprüht wurde. Im Beitrag der Fernsehsendung „Lokalzeit“, ebenfalls vom 07.12.2013, des WDR ist bereits von ca. 50 Fans die Rede, welche einen Supermarkt gestürmt und in diesem Pfefferspray versprüht haben. Aber nicht nur dem WDR ist diese Erstürmung zu Ohren gekommen. Auch die Süddeutschen Zeitung sowie die Neue Westfälische weiß davon zu berichten. In der Dresdner Lokalpresse (Sächsische Zeitung, 7.12.2013, /Dresdner Neuste Nachrichten, 10.12.2013,) kann der gemeine Bürger ebenso von diesem Vorfall lesen. Das Problem an der ganzen Sache ist jedoch, dass es diese Stürmung des Lidl Supermarktes an der Jöllenbecker Straße nicht gab! Die Lidl Regionalleitung, sowie mehrere Lidl Mitarbeiter wiederholten auf Nachfrage, dass solche eine Erstürmung geschweige denn ein Überfall nicht stattgefunden haben (Fanprojekt Dresden). Auch in der Printausgabe des kickers vom 16.12. ist zu lesen, dass es diesen vermeintlichen Überfall nicht gab. Anscheinend konzentrieren sich Teile der medialen Landschaft eher auf das gegenseitige Abschreiben beziehungsweise unreflektierte Kopieren von Polizeiberichten als auf eine gewissenhafte, unabhängige Recherche. Ein trauriger Punkt, der jedoch mittlerweile fast schon zum Standard bei Berichterstattung in und um den Fußball gehört. Traurig ebenso, dass die Polizei einen öffentlich-rechtlichen Sender benutzt, um eine Falschmeldung zu veröffentlichen. Mag sein, dass dem Polizeibeamten durch seine Kollegen nicht korrekte Informationen übermittelt werden. Aber warum versucht man nicht wenigstens diese zu korrigieren?! Das oft beschriebene „problematische Verhältnis“ von Fußballfans zur Presse und Polizei wird durch solche Vorfälle auf jeden Fall nicht verbessert werden!
Doch kommen wir zurück zum Spiel an sich. Abgesehen von der Berichterstattung in den Tagen danach ist direkt am Spieltag die Situation am Einlass kritisch anzumerken. Eine Einheit von behelmten und teilweise vermummten Polizeibeamten als Regulierung der ankommenden Fans, in solch einer bereits angespannten Atmosphäre einsetzen, ist durchaus infrage zu stellen. Darüber hinaus konnten in dieser Situation mehrmals Übergriffe von Polizeibeamten auf normale Fans (u.a. Faustschläge in die gedrängte Menschenmenge) beobachtet werden. Des Weiteren betrachtete Geschäftsführer Müller die Einlasssituation mehr als 1,5h und konnte dabei ebenfalls keine Zwischenfälle oder Fehlverhalten vonseiten der Fans feststellen.
Dem enorm hohen medialen Druck, welcher seitens der Presse und der Polizei unter Zuhilfenahme von Falschmeldungen und Übertreibungen aufgebaut wurde, konnte unsere Vereinsführung leider nicht standhalten. Wir finden es unglücklich, wenn Dynamo Dresden als Verein in der offiziellen Pressemitteilung Begriffe wie „Krawalle“ oder „Ausschreitungen“ direkt übernimmt. Eine detaillierte Aufarbeitung finden wir lobenswert und dies ist auch Ziel aller, jedoch finden wir es als Schwarz-Gelbe Hilfe problematisch, wenn in einer Meldung (am Tag danach) auf der offiziellen Internetseite die Vokabeln direkt aus den „Revolverblättern“ rezipiert werden, ohne wahrscheinlich selbst schon direkte Kenntnisse von den Geschehnissen zu haben. Durch solch ein Schuldeingeständnis bringt man sich wieder selbst in die Täterrolle. Eine Veränderung der Außendarstellung des Vereins zum Positiven wird dadurch nicht stattfinden.
Leider sind wir hier noch nicht am Ende. Denn zu guter Letzt wurde dem Fanprojekt Dresden durch einen Beamten der Bundespolizei vorgeworfen, am Spieltag Pyrotechnik in Fanprojektfahrzeug transportiert und an die Fans verteilt zu haben. Abgesehen davon, dass Pyrotechnik nicht mit Randale und Gewalt gleichzusetzen ist, sondern ein Teil von Fankultur darstellt, erkennt man, welchen Zweck dieser Vorwurf hat. Ziel ist es nicht nur den Verein Dynamo Dresden und seine Fans als Randalierer und Chaoten an den Pranger stellen, sondern auch gleichzeitig all jene, welche im Zusammenhang mit Dynamo Dresden stehen. Vollkommen unverständlich ist es daher, dass gerade die Institution, welche seit Jahren eher positive Arbeit an der Fanszene verrichtet so in den Dreck gezogen wird. Solche eine Diffamierung und Rufschädigung sucht seinesgleichen. Welche Folgen solche ein abstruser Vorwurf hat, zeigte sich im Übrigen schon beim darauf folgenden Spiel in Köln. Hier wurde das Dienstfahrzeug des Fanprojektes einer ausgedehnten Kontrolle unterzogen und nebenbei noch die Personalien der Fanprojektmitarbeiter überprüft.
Was ist also nun festzustellen? Verband, Medien und Polizei scheinen kein Interesse zu haben die Gewaltproblematik als Problem der Gesellschaft anzuerkennen und es solch als dieses zu behandeln. Vielmehr wird durch eine falsche Berichterstattung wieder einmal das Bild der marodierenden Dynamohorden gezeichnet. Eine ausgewogene Recherche denn Berichterstattung ist nicht zu finden. Lieber gibt man wieder den Scharfmachern der Polizeigewerkschaften eine Bühne (Neue Westfälische, 16.12.2013, ). Mit einem möglichen Stehplatzverbot bei Auswärtsspielen (Spiegel Online, 11.12.2013,) zeigt auch der Verband, dass das Versprechen Dynamo Dresden von nun an als Ersttäter zu behandeln nur eine hohle Phrase war, um ein Rückzug der DFB Pokalklage zu erreichen.