Kom­men­tar zur Öffent­lich­keits­fahn­dung rund um die Gescheh­nisse beim Aus­wärts­spiel in Bielefeld

10 Apr 2014 | Repression

Am Diens­tag ist in eini­gen regio­na­len Zei­tun­gen, wie der Säch­si­schen Zei­tung, der BILD-Zeitung sowie der Dresd­ner Mor­gen­post eine soge­nannte „Öffent­lich­keits­fahn­dung“ durch­ge­führt wor­den. Dabei wur­den in Folge der staats­an­walt­schaft­li­chen Ermitt­lun­gen zu den Vor­komm­nis­sen des Spiels der SG Dynamo bei Armi­nia Bie­le­feld, die Bil­der von fünf beschul­dig­ten Per­so­nen ver­öf­fent­licht. Die Schwarz-Gelbe Hilfe ver­ur­teilt die­sen Vor­gang mit aller Kritik.

Die Gründe dafür möch­ten wir aus einem juris­ti­schen Gut­ach­ten ent­neh­men, dass wir zu den Vor­gän­gen in Auf­trag gege­ben haben.
Grund­sätz­lich wird in die­ser Beur­tei­lung fest­ge­stellt, dass „sowohl die Anord­nung der Öffent­lich­keits­fahn­dung, als auch die Art und Weise der Durch­füh­rung die­ser Ermitt­lungs­maß­nahme, durch­grei­fen­den straf­pro­zes­sua­len und verfassungs- und euro­pa­recht­li­chen Beden­ken begegnen“.

Die Kri­tik teilt sich dar­auf­fol­gend auf zwei unter­schied­li­che Ebe­nen auf. Zum einen ist das die Ebene der Anord­nung der Maß­nahme. Dabei ist vor allem die für die Öffent­lich­keits­fahn­dung ver­ant­wort­li­che Behörde gemeint. Die recht­li­che Grund­lage einer sol­chen Öffent­lich­keits­fahn­dung fin­det sich in §131b der Straf­pro­zess­ord­nung. Die­ser Para­graf beinhal­tet, dass es für solch eine Maß­nahme grund­sätz­lich des Vor­wur­fes einer bestimm­ten Straf­tat von erheb­li­cher Bedeu­tung bedarf.

Es ist jedoch fest­zu­stel­len, dass sämt­li­che Vor­würfe der Belei­di­gung, der Kör­per­ver­let­zung sowie des Land­frie­dens­bru­ches nach § 12 Straf­ge­setz­buch unter die Gruppe der „Ver­ge­hen“ fal­len d.h., dass sie nicht das Kri­te­rium der „erheb­li­chen Bedeu­tung“ erfül­len und eine Öffent­lich­keits­fahn­dung für diese Delikte daher grund­sätz­lich aus­schei­det. In Bezug auf die Kör­per­ver­let­zun­gen ist in der Bericht­erstat­tung der Säch­si­schen Zei­tung fer­ner mit kei­nem Wort von ein­ge­tre­te­nen Ver­let­zun­gen die Rede. Aus­drück­lich wird sogar mit­ge­teilt (zu dem Tat­ver­däch­ti­gen 2), dass tat­säch­lich keine Ver­let­zung ein­ge­tre­ten ist.

Die andere Ebene der Kri­tik bezieht sich auf die Art und Weise der Durch­füh­rung die­ser Maß­nahme. Sie betrifft vor allem die Pres­se­be­richt­erstat­tung, die stell­ver­tre­tend am Bei­spiel der Säch­si­schen Zei­tung getrof­fen wer­den soll. Im Bericht der Online­aus­gabe der Säch­si­schen Zei­tung vom 8. 4. 2014 wird der, den jewei­li­gen Ermitt­lungs­ver­fah­ren zugrunde lie­gende, Sach­ver­halt als fest­ste­hende Tat­sa­che dargestellt.

Öffentlichkeitsfahndung Sächsische Zeitung 08.04.2014

Öffent­lich­keits­fahn­dung Säch­si­sche Zei­tung 08.04.2014

Dadurch hat die Öffent­lich­keits­fahn­dung grund­sätz­lich die Unschulds­ver­mu­tung etwa­iger Beschul­dig­ter in nicht hin­zu­neh­men­der Weise beein­träch­tigt und zu deren Vor­ver­ur­tei­lung geführt. Diese Bericht­erstat­tung ver­stößt damit gegen ihre gesetz­lich vor­ge­schrie­bene Sorg­falts­pflicht, nach­zu­le­sen in §5 des „Säch­si­schen Gesetz über die Presse“.

Die Schwarz-Gelbe Hilfe for­dert inso­weit die Ermitt­lungs­be­hör­den aus­drück­lich auf, ihrer ent­spre­chen­den Ver­pflich­tung nach­zu­kom­men und der ihr bezüg­lich etwaig zu ermit­teln­der Beschul­dig­ter oblie­gen­den Schutz­pflicht gegen­über den Medi­en­ver­tre­tern auszuüben.

Ein Weg, um den dann Beschul­dig­ten vor einer öffent­li­chen Vor­ver­ur­tei­lung zu bewah­ren und so einer mög­li­chen unzu­läs­si­gen Ver­fah­rens­be­ein­flus­sung zu ent­ge­hen, liegt in einer geziel­ten Pres­se­ar­beit der Jus­tiz. Indem die Jus­tiz auch die gegen eine Ankla­ge­er­he­bung oder Ver­ur­tei­lung der Tat­ver­däch­ti­gen spre­chen­den Indi­zien auf­zeigt und um eine sach­li­che Dar­stel­lung des Fal­les nach­sucht, kann sie auf eine aus­ge­wo­gene und zurück­hal­tende Bericht­erstat­tung in den Medien über das Straf­ver­fah­ren und die an ihm betei­lig­ten Per­so­nen hin­wir­ken. Auf diese Weise kann einer öffent­li­chen Vor­ver­ur­tei­lung der dann Beschul­dig­ten bereits im Vor­feld begeg­net werden.

Ob dies jedoch auch für Fuß­ball­fans gilt, wer­den die wei­te­ren Ereig­nisse zeigen.

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...