Wenige Wochen nach der Podiumsdiskussion im Penck-Hotel Dresden, veranstaltet von der Sächsischen Zeitung, erhielten wir einen rückblickenden Kommentar zu dieser Veranstaltung. Nach einigen Überlegungen und dem Einverständnis des Verfassers, wollen wir diesen Euch nicht vorenthalten. Sicherlich ist dieser etwas überspitzt formuliert, aber spiegelt die Probleme und Einseitigkeit dieser Debatte nichtsdestotrotz aus unserer Sicht wieder.
Der eigentliche Anlass, die Vorkommnisse rund um das Aufstiegsspiel gegen Türkgücü München im Mai 2021, war zwar schon mehr als eineinhalb Jahre her, aber „Dynamo und Gewalt“ ist nun mal auch hier in der provinziellen Medienlandschaft ein „all-time-classic“. Neben dem kaufmännischen Geschäftsführer Jürgen Wehlend, dem Leiter des Fanprojektes Dresden Ronald Bec, dem Dresdner Polizeipräsidenten Lutz Rodig war auch der derzeitige sächsische Innenminister Armin Schuster, sowie Danny Graupner als Vorstand der Schwarz-Gelbe Hilfe eingeladen — für eure Teilnahme kann man nur Danke sagen.
Am Veranstaltungstag zeigte sich, dass diese SZ-Veranstaltung so manch gemeinen K‑Blockgänger aus dem Winterschlaf geholt hatte und der Saal sehr gut gefüllt war. Gerüchten zu Folge wollte sich der ein oder andere Polizist in Zivil die Performance seiner obersten Dienstherren ebenso nicht entgehen lassen.
Ohne ein Fazit vorwegzunehmen, die Entscheidung der Fanhilfe zur Teilnahme war die richtige, trotz dessen, dass man dort vermeintlich rhetorisch geschulten Berufspolitikern und ‑repräsentanten wie Schuster und Rodig gegenübersitzt, wird auch die repräsentierende Person der Fans zwangsläufig eine nicht zu unterschätzende mediale Aufmerksamkeit bekommen. Seien wir ehrlich — nicht jedem Chef gefällt, wenn man im Bezug zu Dynamo eher zu der polizeikritischen Masse gehört, anderseits sollte nicht noch eine Diskussionsrunde mit Dynamobezug in Sachen Fanbelangen unterrepräsentiert sein bzw. über die Fans anstatt mit den Fans geredet werden.
Doch es kam leider, wie es kommen musste: Der mindestens provokante, wenn nicht sogar tendenziöse Titel „Dynamo Fans und das Gewaltproblem“ ließ bereits nichts Gutes hoffen — getreu dem Motto „Wir hatten keine Erwartungen und diese wurden auch erfüllt“- wurde dies auch erfüllt.
Anstatt solch ein Forum als Chance zum Dialog zu sehen und die derzeitige Situation und jüngste Ereignisse wie Bayreuth oder Kaiserslautern auch einmal nüchtern zu betrachten und einzuordnen, suhlte man sich dagegen in altbekannten und altbackenen Stereotypen und Unwahrheiten. Märchengeschichten wie „…, früher war es nicht so schlimm, …“ wurden natürlich ebenso aufgetischt — keiner scheint sich mehr an die regelmäßig gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Festbesuchern der Bunten Republik Neustadt und der Polizei oder den fast schon traditionellen Männertagsrandalen an der Elbe in den Anfängen des neuen Jahrtausends zu erinnern. Mit der Gleichsetzung von Pyrotechnik als Stilmittel bzw. Teil von Choreografien mit gewalttätigen Ausschreitungen, sowie fragwürdigen und nicht belegten Thesen „… allein aufgrund der gewalttätigen Ausschreitungen haben Menschen Angst ins Stadion zu gehen.“ waren dann auch wirklich alle klischeebehafteten Aussagen mit dabei. Speziell letzteres Argument, hervorgebracht durch unseren kaufmännischen Geschäftsführer, lässt natürlich den Punkt das die Profifußballer unserer SG Dynamo seit gut anderthalb Jahren eher mittelmäßigen Drittligafußball spielen, gekonnt unter den Tisch fallen. Die alte Leier von der Notwendigkeit
personalisierter Eintrittskarten wurde diesmal von Armin Schuster, seines Zeichens der neue Westimport des sächsischen Innenministeriums und ehemaliger Katastrophenschutzchef hervorgebracht. Dieser glänzte nicht nur mit seinem Wunsch nach „Nie wieder ey-käb“, sondern auch mit der Idee eines Teekreises mit Polizei, Verein, Stadt und vor allem den Fans, wo mal „alles auf den Tisch“ sollte. Wenig verwunderlich soll es dabei vor allem um Dinge gehen, bei den Fans das Nachsehen haben werden beziehungsweise man sie doch gern in die Pflicht nehmen wöllte wie Bierkonsum oder den bereits erwähnten personalisierten Eintrittskarten. Von einer Kennzeichnungspflicht geschlossener Polizeieinheiten, einer unabhängigen Beschwerdestelle, die nicht die Beschwerdeführer, sondern das polizeiliche Fehlverhalten verfolgt, der Verhältnis- bzw. Rechtsmäßigkeit des neuen sächsischen Polizeigesetzes oder der Abrüstung einer fast schon militärisch ausgestatteten Polizei bei einem Fußballspiel war „überraschenderweise“ nichts zu hören. Alles in Allem war vor allem der Auftritt des sächsischen Innenministers an Skurrilität schwer zu überbieten und manch einer ertappte sich bei dem Gedanken (oder hoffte das zumindest) das dies vielleicht nicht doch der nächste Coup vom „Wessischwein“ Jan Böhmermann sei.
So sehr die Zeilen zum Schmunzeln anregen, so traurig ist doch, dass auch diese Diskussion erwartbar eintönig und einseitig verlief. Einzig Ronald Bec vom Fanprojekt Dresden und Danny Graupner der Schwarz-Gelben Hilfe versuchten mit Hinweisen zur notwendigen Einordnung von Gewalt im gesellschaftlichen Kontext, zu Vorkommnissen im gesamtdeutschen Fußball, zum inflationären Gebrauch des Bürgerkriegsbegriffs bei gewalttätigen Auseinandersetzungen oder zur, eigentlich bereits bestehenden Personalisierung des Kartenverkaufs bei Dynamospielen der Runde inhaltliche Substanz zu verleihen. Nur war der Moderator, Tino Meyer, damit anscheinend überfordert.
Wie die „ausgestreckte Hand“ seitens der Dresdner Polizei aussieht, war in Form von Ordnungswidrigkeitsanzeigen und somit der Kriminalisierung eines Fanmarsches beim letzten Heimspiel gegen den SV Meppen zu sehen.
PS.: Die Bundespolizei ließ Armin Schusters Wunsch nach „Nie wieder ey-käb“ durch eine gleichnamige Werbekampagne leider schlecht altern, vielleicht war ja doch der Taxiverkehr gemeint.
Schwarz-Gelbe Hilfe