Das neue Jahr 2016 hat begonnen — die Silvesterknaller wurden in Stücke gerissen, die Sektflaschen geleert und der gemeine Dynamofan blickt mit einem strahlenden Auge auf die vergangenen Monate. Sportlich unangefochten auf Platz 1 in der 3. Liga, die Fanszene präsentierte Europas größte Blockfahne und selbst finanziell scheint der Verein inzwischen über dem Berg zu sein.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Es reicht aus, ein halbes Jahr zurück zu blicken, um festzustellen, dass für einige Fans der Schwarz-Gelben das zurückliegende Jahr weniger positiv verlief.
Es ist der 1. August 2015, in Würzburg findet das erste sportliche Aufeinandertreffen zwischen den Kickers aus Würzburg und der SG Dynamo Dresden statt. Für die beiden langjährigen Dynamofans Charlie* und Klaus* beginnt die damalige Zuganreise zum Auswärtsspiel im Dresdner Hauptbahnhof. Nach einer ruhigen und entspannten Hinfahrt, die vollständig ohne begleitende Polizeieinheiten auskam, erreichte eine rund 200 Menschen umfassende Reisegruppe gegen Mittag die fränkische Residenzstadt Würzburg. Nachdem es zu Rangeleien mit der Polizei am Würzburger Bahnhofsvorplatz und im angrenzenden Park kam, soll nach Polizeiinformationen aus dem Tross der zum Stadion laufenden Dynamofans ein Passant gestoßen worden sein. Daraufhin fiel dieser auf die Fahrbahn und wurde von einem Auto erfasst. Dieser Vorfall sollte für beide Dynamofans zum Beginn einer über Monate andauernden rechtlichen Farce werden.
Während Klaus noch vor Betreten des Stadions am Dallenberg von der Polizei vorläufig festgenommen und mit dem Vorwurf der schweren Körperverletzung konfrontiert wurde, ergriff die Polizei erst auf dem Rückweg am Würzburger Bahnhof den Dynamofan Charlie als zweiten mutmaßlichen Täter. Noch am selben Tag gibt die Pressestelle der Dynamos aufgrund der Veröffentlichung eines Polizeiberichtes eine Nachbetrachtung zum Spiel in Würzburg heraus. In dieser kündigten die Verantwortlichen des Vereins an, nach Übermittlung der Personendaten, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Täter vorzugehen. Was dies im Einzelnen bedeutete, erfuhr man fünf Tage später. In einem Akt der vorauseilenden Gehorsamkeit spricht der Geschäftsführer Robert Schäfer unbefristete Hausverbote gegen fünf von der Polizei zuvor übermittelte Tatverdächtige aus. Darunter natürlich auch die SGH-Mitglieder Charlie* und Klaus*. Neben der Aussage unseres Geschäftsführers, der bereits fünf Tage nach Beendigung des Spiels von “ermittelten Personen” sprach, hieß es weiterhin, dass man sich als Person zu seinem Fehlverhalten doch äußern könnte. Formulierungen, die einer Vorverurteilung leider gleichkommen.
Da Charlie zu diesem Zeitpunkt noch an Gerechtigkeit und Fair-Play in unserem Verein glaubte, kümmerte er sich um einen solchen Anhörungstermin. Zu diesem Termin war neben einer Vertreterin der Fanabteilung und einem Vertreter des Fanprojekt Dresdens auch Robert Schäfer als Geschäftsführer persönlich anwesend. Zunächst schilderte Charlie die Anreise und die Situation nach dem Eintreffen am Bahnhof und berichtete anschließend von den drohenden beruflichen Konsequenzen. Schäfer ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, in seinen Augen wären die Informationen der Polizei eindeutig und das Hausverbot des Vereins als präventive Maßnahme zu betrachten. Die Geschäftsführung wolle nicht riskieren, dass von Charlie und den anderen Fans weitere Gefahr im Stadion ausgeht. Auch der Vertreter des Fanprojekts konnte mit den Argumenten über die Art der Vergabe von Stadion- und Hausverbote, inklusive der datenschutz- und verfassungsrechtlich bedenklichen Weitergabe von polizeilichen Daten und Verdächtigungen über eine Person an Dritte, den studierten Juristen Schäfer nicht umstimmen. Ein ähnlicher Termin mit Klaus wäre aus unserer Sicht verschwendete Zeit gewesen und so rieten wir ihm, von der Wahrnehmung seiner Anhörung abzusehen.
Mitte November diesen Jahres, die Berichterstattungswelle über die Ereignisse in Würzburg war längst abgeebbt, konnten beide Dynamofans erst einmal aufatmen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg stellte das Verfahren nach §170 (2) StPO ein. Dies bedeutet, dass die Ermittlungsergebnisse keine oder nicht genügend Anhaltspunkte für die Anklage ergaben. Zwar entfaltet die „Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht“ keine Rechtskraft für die Beschuldigten, die Sache könnte also jederzeit wieder aufgenommen werden, dennoch zeigt die Rechtspraxis, dass solche Fälle selten sind. Nach einer Erhebung des Bundesamt für Statistik aus dem Jahr 2013 wurden von rund 4,6 Millionen bundesweiten Ermittlungsverfahren 28% nach §170 (2) eingestellt. Selbst die kritikwürdigen Richtlinien über die Vergabe und Aufhebung von Stadionverboten des DFB sehen in der Einstellung nach §170(2) StPO einen Nachweis der Unschuld, die zur Aufhebung von örtlichen oder bundesweiten Stadionverboten führen muss.
Nach Erhalt und Übersendung der Nachricht der Staatsanwaltschaft Würzburg an die Vereinsführung der SG Dynamo Dresden wurden die unbefristeten Hausverbote auch Ende November aufgehoben. Wurden die ausgestellten Hausverbote noch von Herrn Robert Schäfer persönlich unterschrieben, wurde die Aufhebung, ohne ein Wort der Entschuldigung oder gar einer Pressemitteilung durch die SGD, vom Stadionverbotsbeauftragten Herrn David May versendet. Somit sind nach unseren Kenntnisstand nun schon zwei der zum damaligen Zeitpunkt ausgesprochenen fünf unbefristeten Hausverbote nichtig und aufgehoben wurden. Für uns ist diese Vergabe, egal ob von örtlich-begrenzten oder bundesweit ausgesprochenen Stadionverboten, ohne eine Verurteilung der Beschuldigten durch ein ordentliches Gericht, eine Vorverurteilung von Menschen. Eine Praxis, die trotz schriftlicher oder mündlicher Anhörungen bei sogenannten Stadionverbotsanhörungskommissionen (SVAK), leider viel zu häufig Anwendung findet.
Wir fordern deshalb, die Stadionverbotsrichtlinien des Deuschen Fußballbundes zu überarbeiten, da die Weitergabe von persönlichen Daten an die Fußballvereine durch Polizeibehörden aus unserer Sicht rechtswidrig ist. Eine Vergabe von Stadionverboten ohne Verurteilung tritt jedes Rechtsstaatlichkeitsprinzip mit Füßen. Stadion- und Hausverbote deren Verfahren aus Opportunitätsgründen (bspw. §153 StPO) eingestellt worden sind, müssen aufgehoben werden. Stadionverbotsanhörungskommissionen sind bundesweit in den Klubs zu verankern und mit festgelegten Rechten und Handlungsspielräumen zu stärken. Ein Verfahren, welches, wie das obige Beispiel zeigt, auch in unserem Verein deutlich zu verbessern gilt.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe
*Namen durch die SGH geändert
Titelbild: Quelle