Recht haben und Recht bekom­men — über die Ver­gabe von Haus- und Sta­di­on­ver­bo­ten am Bei­spiel der Vor­fälle in Würzburg

4 Jan 2016 | Abgeschlossene Verfahren

Das neue Jahr 2016 hat begon­nen — die Sil­ves­ter­knal­ler wur­den in Stü­cke geris­sen, die Sekt­fla­schen geleert und der gemeine Dyna­mo­fan blickt mit einem strah­len­den Auge auf die ver­gan­ge­nen Monate. Sport­lich unan­ge­foch­ten auf Platz 1 in der 3. Liga, die Fan­szene prä­sen­tierte Euro­pas größte Block­fahne und selbst finan­zi­ell scheint der Ver­ein inzwi­schen über dem Berg zu sein.
Doch wo Licht ist, ist auch Schat­ten. Es reicht aus, ein hal­bes Jahr zurück zu bli­cken, um fest­zu­stel­len, dass für einige Fans der Schwarz-Gelben das zurück­lie­gende Jahr weni­ger posi­tiv verlief.

Es ist der 1. August 2015, in Würz­burg fin­det das erste sport­li­che Auf­ein­an­der­tref­fen zwi­schen den Kickers aus Würz­burg und der SG Dynamo Dres­den statt. Für die bei­den lang­jäh­ri­gen Dyna­mo­fans Char­lie* und Klaus* beginnt die dama­lige Zug­an­reise zum Aus­wärts­spiel im Dresd­ner Haupt­bahn­hof. Nach einer ruhi­gen und ent­spann­ten Hin­fahrt, die voll­stän­dig ohne beglei­tende Poli­zei­ein­hei­ten aus­kam, erreichte eine rund 200 Men­schen umfas­sende Rei­se­gruppe gegen Mit­tag die frän­ki­sche Resi­denz­stadt Würz­burg. Nach­dem es zu Ran­ge­leien mit der Poli­zei am Würz­bur­ger Bahn­hofs­vor­platz und im angren­zen­den Park kam, soll nach Poli­zei­in­for­ma­tio­nen aus dem Tross der zum Sta­dion lau­fen­den Dyna­mo­fans ein Pas­sant gesto­ßen wor­den sein. Dar­auf­hin fiel die­ser auf die Fahr­bahn und wurde von einem Auto erfasst. Die­ser Vor­fall sollte für beide Dyna­mo­fans zum Beginn einer über Monate andau­ern­den recht­li­chen Farce werden.

Wäh­rend Klaus noch vor Betre­ten des Sta­di­ons am Dal­len­berg von der Poli­zei vor­läu­fig fest­ge­nom­men und mit dem Vor­wurf der schwe­ren Kör­per­ver­let­zung kon­fron­tiert wurde, ergriff die Poli­zei erst auf dem Rück­weg am Würz­bur­ger Bahn­hof den Dyna­mo­fan Char­lie als zwei­ten mut­maß­li­chen Täter. Noch am sel­ben Tag gibt die Pres­se­stelle der Dyna­mos auf­grund der Ver­öf­fent­li­chung eines Poli­zei­be­rich­tes eine Nach­be­trach­tung zum Spiel in Würz­burg her­aus. In die­ser kün­dig­ten die Ver­ant­wort­li­chen des Ver­eins an, nach Über­mitt­lung der Per­so­nen­da­ten, mit den ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln gegen die Täter vor­zu­ge­hen. Was dies im Ein­zel­nen bedeu­tete, erfuhr man fünf Tage spä­ter. In einem Akt der vor­aus­ei­len­den Gehor­sam­keit spricht der Geschäfts­füh­rer Robert Schä­fer unbe­fris­tete Haus­ver­bote gegen fünf von der Poli­zei zuvor über­mit­telte Tat­ver­däch­tige aus. Dar­un­ter natür­lich auch die SGH-Mitglieder Char­lie* und Klaus*. Neben der Aus­sage unse­res Geschäfts­füh­rers, der bereits fünf Tage nach Been­di­gung des Spiels von “ermit­tel­ten Per­so­nen” sprach, hieß es wei­ter­hin, dass man sich als Per­son zu sei­nem Fehl­ver­hal­ten doch äußern könnte. For­mu­lie­run­gen, die einer Vor­ver­ur­tei­lung lei­der gleichkommen.

Da Char­lie zu die­sem Zeit­punkt noch an Gerech­tig­keit und Fair-Play in unse­rem Ver­ein glaubte, küm­merte er sich um einen sol­chen Anhö­rungs­ter­min. Zu die­sem Ter­min war neben einer Ver­tre­te­rin der Fan­ab­tei­lung und einem Ver­tre­ter des Fan­pro­jekt Dres­dens auch Robert Schä­fer als Geschäfts­füh­rer per­sön­lich anwe­send. Zunächst schil­derte Char­lie die Anreise und die Situa­tion nach dem Ein­tref­fen am Bahn­hof und berich­tete anschlie­ßend von den dro­hen­den beruf­li­chen Kon­se­quen­zen. Schä­fer ließ sich davon jedoch nicht beein­dru­cken, in sei­nen Augen wären die Infor­ma­tio­nen der Poli­zei ein­deu­tig und das Haus­ver­bot des Ver­eins als prä­ven­tive Maß­nahme zu betrach­ten. Die Geschäfts­füh­rung wolle nicht ris­kie­ren, dass von Char­lie und den ande­ren Fans wei­tere Gefahr im Sta­dion aus­geht. Auch der Ver­tre­ter des Fan­pro­jekts konnte mit den Argu­men­ten über die Art der Ver­gabe von Stadion- und Haus­ver­bote, inklu­sive der datenschutz- und ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­li­chen Wei­ter­gabe von poli­zei­li­chen Daten und Ver­däch­ti­gun­gen über eine Per­son an Dritte, den stu­dier­ten Juris­ten Schä­fer nicht umstim­men. Ein ähn­li­cher Ter­min mit Klaus wäre aus unse­rer Sicht ver­schwen­dete Zeit gewe­sen und so rie­ten wir ihm, von der Wahr­neh­mung sei­ner Anhö­rung abzusehen.

Mitte Novem­ber die­sen Jah­res, die Bericht­erstat­tungs­welle über die Ereig­nisse in Würz­burg war längst abge­ebbt, konn­ten beide Dyna­mo­fans erst ein­mal auf­at­men. Die Staats­an­walt­schaft Würz­burg stellte das Ver­fah­ren nach §170 (2) StPO ein. Dies bedeu­tet, dass die Ermitt­lungs­er­geb­nisse keine oder nicht genü­gend Anhalts­punkte für die Anklage erga­ben. Zwar ent­fal­tet die „Ein­stel­lung man­gels hin­rei­chen­dem Tat­ver­dacht“ keine Rechts­kraft für die Beschul­dig­ten, die Sache könnte also jeder­zeit wie­der auf­ge­nom­men wer­den, den­noch zeigt die Rechts­pra­xis, dass sol­che Fälle sel­ten sind. Nach einer Erhe­bung des Bun­des­amt für Sta­tis­tik aus dem Jahr 2013 wur­den von rund 4,6 Mil­lio­nen bun­des­wei­ten Ermitt­lungs­ver­fah­ren 28% nach §170 (2) ein­ge­stellt. Selbst die kri­tik­wür­di­gen Richt­li­nien über die Ver­gabe und Auf­he­bung von Sta­di­on­ver­bo­ten des DFB sehen in der Ein­stel­lung nach §170(2) StPO einen Nach­weis der Unschuld, die zur Auf­he­bung von ört­li­chen oder bun­des­wei­ten Sta­di­on­ver­bo­ten füh­ren muss.

Nach Erhalt und Über­sen­dung der Nach­richt der Staats­an­walt­schaft Würz­burg an die Ver­eins­füh­rung der SG Dynamo Dres­den wur­den die unbe­fris­te­ten Haus­ver­bote auch Ende Novem­ber auf­ge­ho­ben. Wur­den die aus­ge­stell­ten Haus­ver­bote noch von Herrn Robert Schä­fer per­sön­lich unter­schrie­ben, wurde die Auf­he­bung, ohne ein Wort der Ent­schul­di­gung oder gar einer Pres­se­mit­tei­lung durch die SGD, vom Sta­di­on­ver­bots­be­auf­trag­ten Herrn David May ver­sen­det. Somit sind nach unse­ren Kennt­nis­stand nun schon zwei der zum dama­li­gen Zeit­punkt aus­ge­spro­che­nen fünf unbe­fris­te­ten Haus­ver­bote nich­tig und auf­ge­ho­ben wur­den. Für uns ist diese Ver­gabe, egal ob von örtlich-begrenzten oder bun­des­weit aus­ge­spro­che­nen Sta­di­on­ver­bo­ten, ohne eine Ver­ur­tei­lung der Beschul­dig­ten durch ein ordent­li­ches Gericht, eine Vor­ver­ur­tei­lung von Men­schen. Eine Pra­xis, die trotz schrift­li­cher oder münd­li­cher Anhö­run­gen bei soge­nann­ten Sta­di­on­ver­bots­an­hö­rungs­kom­mis­sio­nen (SVAK), lei­der viel zu häu­fig Anwen­dung findet.

Wir for­dern des­halb, die Sta­di­on­ver­bots­richt­li­nien des Deu­schen Fuß­ball­bun­des zu über­ar­bei­ten, da die Wei­ter­gabe von per­sön­li­chen Daten an die Fuß­ball­ver­eine durch Poli­zei­be­hör­den aus unse­rer Sicht rechts­wid­rig ist. Eine Ver­gabe von Sta­di­on­ver­bo­ten ohne Ver­ur­tei­lung tritt jedes Rechts­staat­lich­keits­prin­zip mit Füßen. Stadion- und Haus­ver­bote deren Ver­fah­ren aus Oppor­tu­ni­täts­grün­den (bspw. §153 StPO) ein­ge­stellt wor­den sind, müs­sen auf­ge­ho­ben wer­den. Sta­di­on­ver­bots­an­hö­rungs­kom­mis­sio­nen sind bun­des­weit in den Klubs zu ver­an­kern und mit fest­ge­leg­ten Rech­ten und Hand­lungs­spiel­räu­men zu stär­ken. Ein Ver­fah­ren, wel­ches, wie das obige Bei­spiel zeigt, auch in unse­rem Ver­ein deut­lich zu ver­bes­sern gilt.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

*Namen durch die SGH geändert

Titel­bild: Quelle

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