Säch­si­sche Fan­hil­fen zum Koali­ti­ons­ver­trag — Nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt ist

5 Dez. 2024 | Allgemein

Am gest­ri­gen Mitt­woch­nach­mit­tag stell­ten die bei­den säch­si­schen Able­ger der Par­teien CDU und SPD das Ergeb­nis der Ver­hand­lun­gen in Form des gemein­sam ver­ab­schie­de­ten Koali­ti­ons­ver­trags der zukünf­ti­gen säch­si­schen Lan­des­re­gie­rung unter dem Motto “Mutig neue Wege gehen. In Ver­ant­wor­tung für Sach­sen.” vor. Aus fan­po­li­ti­scher, aber auch aus freiheits- und bür­ger­recht­li­cher Sicht ist die­ser höchst kri­tisch zu betrach­ten und daher grund­le­gend abzulehnen.

Neben einem ver­pflich­ten­den Vor­schul­jahr, die Errich­tung eines Sach­sen­fonds oder der Ein­füh­rung eines Bil­dungs­ur­laubs für Arbeit­neh­mer fin­det man unter dem Res­sour­cen­punkt “Innen, Jus­tiz, Migra­tion” alle sicher­heits­po­li­ti­sche Zukunfts­am­bi­tio­nen der geplan­ten säch­si­schen Minderheitsregierung.

Neben der Auf­sto­ckung der säch­si­schen Poli­zei auf 15.000 Kräfte bei immer wei­ter sin­ken­den Straf- & Kri­mi­na­li­täts­sta­tis­ti­ken sowie dem Auf­bau einer eige­nen säch­si­schen Grenz­po­li­zei trotz schlech­ter Finanz­haus­halts­lage, des­sen bay­ri­sches Vor­bild im Übri­gen schon als teil­weise ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wurde, kommt man als kri­ti­scher Fuß­ball­fan schnell zum Unter­punkt: “Gewalt bei Sport­ver­an­stal­tun­gen entgegenstellen”.

In die­sem Absatz wird mit­tels umschwei­fen­der Wort­wahl auf die Ergeb­nisse und For­de­run­gen der bun­des­deut­schen Innen­mi­nis­ter auf dem Münch­ner Sicher­heits­gip­fel vom 18.10.2024 ein­ge­gan­gen. Die Arbeit der sozi­al­päd­ago­gi­sche Fan­pro­jekte soll auf den finan­zi­el­len Prüf­stand gestellt und in wei­ten Tei­len ein­ge­spart wer­den. Durch die Errich­tung einer zen­tra­len Sta­di­on­ver­bots­kom­mis­sion bei DFB oder DFL sol­len die Fuß­ball­ver­eine in Bezug auf die Ver­gabe von Sta­di­on­ver­bote ent­mach­tet sowie durch eine intrans­pa­rente und repres­sive Ver­ga­be­pra­xis die­ser Ver­bote wei­ter an der Zer­stö­rung einer kri­ti­schen und freien Fan­kul­tur in säch­si­schen Fuß­ball­sta­dien gear­bei­tet wer­den. Wel­che Exper­tise in Sachen Fuß­ballf­an­kul­tur der der­zei­tige säch­si­sche Innen­mi­nis­ter Armin Schus­ter (CDU) hat, zeigt fol­gen­der Ver­gleich auf der Pres­se­kon­fe­renz nach dem Sicher­heits­gip­fel: “Wenn ich mich ver­glei­chen kann mit einem ACDC-Konzert, mit dem Eis­ho­ckey­spiel, was ich da als Innen­mi­nis­ter inves­tie­ren muss, wenn ich das im Fuß­ball geschafft habe, dann sind wir an dem rich­ti­gen Punkt.“

Danach fol­gen im Koali­ti­ons­ver­trag wei­tere vor­be­rei­tete und teil­weise schwer­wie­gende Ein­griffe in die Frei­heits­rechte des ein­zel­nen Bür­gers. Geplant ist bei­spiels­weise eine Eva­lu­ie­rungs­phase der soge­nann­ten Quellen-TKÜ, sprich der Live-Überwachung eines digi­ta­len End­ge­räts. Zual­ler­erst natür­lich bei ver­meint­li­chen Ter­ro­ris­ten und Kapi­tal­ver­bre­chern. Eine Aus­wei­tung auf wei­tere Ver­bre­chen­s­tat­be­stände und somit ein Gene­ral­ver­dacht Rich­tung der bür­ger­li­chen All­ge­mein­heit wird sicher­lich folgen.

Unter dem Punkt “Straf­ta­ten kon­se­quent ver­fol­gen” wer­den teil­weise abstruse For­de­run­gen nach einer ver­meint­li­chen effi­zi­en­ten Straf­ver­fol­gung laut. Mit­tels einer ver­stärk­ter Ahn­dung von Baga­tell­de­lik­ten, wel­che im Regel­fall nach deut­scher Straf­pro­zess­ord­nung ein­ge­stellt wer­den kön­nen, oder einer zah­len­mä­ßi­gen Erhö­hung beschleu­nig­ter Straf­ver­fah­ren wird hier schein­bar an der Ero­die­rung des Rechts­staats gear­bei­tet. Effi­zi­enz und Beschleu­ni­gigung gehen immer zu Las­ten eines demo­kra­ti­schen Rechts­staats, einer aus­ge­wo­ge­nen Beweis­auf­nahme und eines fai­ren Straf­pro­zes­ses. Hier scheint die zukünf­tige Koali­tion auf schnelle Ergeb­nisse und “bes­sere” Zah­len statt eines aus­ge­wo­ge­nen Rechts­staats set­zen zu wollen.

Doch die expe­ri­men­tier­freu­dige Zukunfts­vi­sion des Frei­heits­ge­dan­kens nach Vor­stel­lung der Christ- und Sozi­al­de­mo­kra­ten in Sach­sen sol­len als Ers­tes den Straf­voll­zug tref­fen. Mit­tels intel­li­gen­ter Kamer­über­wa­chung und künst­li­cher Intel­li­genz plant die Koali­tion Straf­ge­fan­gene kom­plett zu über­wa­chen. Unter dem Denk­man­tel der Gefah­ren­ab­wehr soll das Leben hin­ter Git­ter einem Expe­ri­ment glei­chen und der voll­stän­di­gen sozia­len Kon­trolle unter­zo­gen wer­den. Von weit­rei­chen­den Resozialisierungs- oder gar Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men ist im Übri­gen keine Rede.

Doch neben der schwie­ri­gen Umset­zung sol­cher Geset­zes­vor­ha­ben und ‑initia­ti­ven Sei­tens der bei­den Par­teien in einer Min­der­heits­re­gie­rung, steht man in Sach­sen noch vor wirk­lich wich­ti­gen innen­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen: Nach­dem der Säch­si­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof das Säch­si­sche Poli­zei­voll­zugs­dienst­ge­setz (SächsPVDG) in wei­ten Tei­len als ver­fas­sungs­wid­rig ein­ge­stuft hat und das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt schon mit der nächs­ten Ent­schei­dung dies­be­züg­lich in den Start­lö­chern steht, läuft die Frist zur ver­fas­sungs­kon­for­men Rege­lung nur noch bis Anfang 2026.

Wir blei­ben für Euch am Ball.

Fan­hilfe Zwi­ckau e.V.
Rechts­hil­fe­kol­lek­tiv Che­mie Leip­zig e.V.
Schwarz-Gelbe Hilfe e.V.

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