Am gestrigen Mittwochnachmittag stellten die beiden sächsischen Ableger der Parteien CDU und SPD das Ergebnis der Verhandlungen in Form des gemeinsam verabschiedeten Koalitionsvertrags der zukünftigen sächsischen Landesregierung unter dem Motto “Mutig neue Wege gehen. In Verantwortung für Sachsen.” vor. Aus fanpolitischer, aber auch aus freiheits- und bürgerrechtlicher Sicht ist dieser höchst kritisch zu betrachten und daher grundlegend abzulehnen.
Neben einem verpflichtenden Vorschuljahr, die Errichtung eines Sachsenfonds oder der Einführung eines Bildungsurlaubs für Arbeitnehmer findet man unter dem Ressourcenpunkt “Innen, Justiz, Migration” alle sicherheitspolitische Zukunftsambitionen der geplanten sächsischen Minderheitsregierung.
Neben der Aufstockung der sächsischen Polizei auf 15.000 Kräfte bei immer weiter sinkenden Straf- & Kriminalitätsstatistiken sowie dem Aufbau einer eigenen sächsischen Grenzpolizei trotz schlechter Finanzhaushaltslage, dessen bayrisches Vorbild im Übrigen schon als teilweise verfassungswidrig erklärt wurde, kommt man als kritischer Fußballfan schnell zum Unterpunkt: “Gewalt bei Sportveranstaltungen entgegenstellen”.
In diesem Absatz wird mittels umschweifender Wortwahl auf die Ergebnisse und Forderungen der bundesdeutschen Innenminister auf dem Münchner Sicherheitsgipfel vom 18.10.2024 eingegangen. Die Arbeit der sozialpädagogische Fanprojekte soll auf den finanziellen Prüfstand gestellt und in weiten Teilen eingespart werden. Durch die Errichtung einer zentralen Stadionverbotskommission bei DFB oder DFL sollen die Fußballvereine in Bezug auf die Vergabe von Stadionverbote entmachtet sowie durch eine intransparente und repressive Vergabepraxis dieser Verbote weiter an der Zerstörung einer kritischen und freien Fankultur in sächsischen Fußballstadien gearbeitet werden. Welche Expertise in Sachen Fußballfankultur der derzeitige sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) hat, zeigt folgender Vergleich auf der Pressekonferenz nach dem Sicherheitsgipfel: “Wenn ich mich vergleichen kann mit einem ACDC-Konzert, mit dem Eishockeyspiel, was ich da als Innenminister investieren muss, wenn ich das im Fußball geschafft habe, dann sind wir an dem richtigen Punkt.“
Danach folgen im Koalitionsvertrag weitere vorbereitete und teilweise schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers. Geplant ist beispielsweise eine Evaluierungsphase der sogenannten Quellen-TKÜ, sprich der Live-Überwachung eines digitalen Endgeräts. Zuallererst natürlich bei vermeintlichen Terroristen und Kapitalverbrechern. Eine Ausweitung auf weitere Verbrechenstatbestände und somit ein Generalverdacht Richtung der bürgerlichen Allgemeinheit wird sicherlich folgen.
Unter dem Punkt “Straftaten konsequent verfolgen” werden teilweise abstruse Forderungen nach einer vermeintlichen effizienten Strafverfolgung laut. Mittels einer verstärkter Ahndung von Bagatelldelikten, welche im Regelfall nach deutscher Strafprozessordnung eingestellt werden können, oder einer zahlenmäßigen Erhöhung beschleunigter Strafverfahren wird hier scheinbar an der Erodierung des Rechtsstaats gearbeitet. Effizienz und Beschleunigigung gehen immer zu Lasten eines demokratischen Rechtsstaats, einer ausgewogenen Beweisaufnahme und eines fairen Strafprozesses. Hier scheint die zukünftige Koalition auf schnelle Ergebnisse und “bessere” Zahlen statt eines ausgewogenen Rechtsstaats setzen zu wollen.
Doch die experimentierfreudige Zukunftsvision des Freiheitsgedankens nach Vorstellung der Christ- und Sozialdemokraten in Sachsen sollen als Erstes den Strafvollzug treffen. Mittels intelligenter Kamerüberwachung und künstlicher Intelligenz plant die Koalition Strafgefangene komplett zu überwachen. Unter dem Denkmantel der Gefahrenabwehr soll das Leben hinter Gitter einem Experiment gleichen und der vollständigen sozialen Kontrolle unterzogen werden. Von weitreichenden Resozialisierungs- oder gar Präventionsmaßnahmen ist im Übrigen keine Rede.
Doch neben der schwierigen Umsetzung solcher Gesetzesvorhaben und ‑initiativen Seitens der beiden Parteien in einer Minderheitsregierung, steht man in Sachsen noch vor wirklich wichtigen innenpolitischen Herausforderungen: Nachdem der Sächsische Verfassungsgerichtshof das Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) in weiten Teilen als verfassungswidrig eingestuft hat und das Bundesverfassungsgericht schon mit der nächsten Entscheidung diesbezüglich in den Startlöchern steht, läuft die Frist zur verfassungskonformen Regelung nur noch bis Anfang 2026.
Wir bleiben für Euch am Ball.
Fanhilfe Zwickau e.V.
Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.
Schwarz-Gelbe Hilfe e.V.