Säch­si­sche Poli­zeidroh­nen beim Fuß­ball — ein Totalabsturz

15 Apr 2021 | Allgemein

Ende Januar 2021 ver­öf­fent­lichte die Arbeits­ge­mein­schaft Fan­an­wälte, ein Zusam­men­schluss von Rechts­an­wäl­tin­nen und Rechts­an­wäl­ten, die regel­mä­ßig Fuß­ball­fans ver­tre­ten, eine Pres­se­mit­tei­lung über ein Urteil des Ver­wal­tungs­ge­richt Sig­ma­rin­gen. https://www.fananwaelte.de/?p=165 Aus die­sem Urteil geht her­vor, dass der Ein­satz von soge­nann­ten poli­zei­li­chen Späh­droh­nen gegen Fuß­ball­fans grund­sätz­lich rechts­wid­rig sei, so lange die Poli­zei für die Betrof­fe­nen nicht erkenn­bar auf einen Droh­nen­ein­satz hin­weist. Ein wei­te­rer Erfolg für Fan­rechte, für das Grund­recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung und damit ein wei­te­rer Schlag gegen die immer wei­ter aus­ufern­den poli­zei­li­chen Überwachungsbefugnisse.

Schon vor knapp 14 Jah­ren konn­ten Fuß­ball­fans mit die­sen unbe­mann­ten Flug­ob­jek­ten rund um säch­si­sche Sta­dien erste Erfah­run­gen sam­meln. In einer dama­li­gen Groß­of­fen­sive des Säch­si­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums des Innern, geführt durch den dama­li­gen Minis­ter Albrecht But­tolo (CDU), kün­digte man im Januar 2008 einen umfang­rei­chen Maß­nah­men­ka­ta­log, gegen Gewalt in Fuß­ball­sta­dien an. Flan­kiert wurde das dama­lige Pro­jekt von einer Poster-Imagekampagne “…dann zieh unser Tri­kot aus”, auf dem fünf Spie­ler der zu dem Zeit­punkt wich­tigs­ten säch­si­schen Fuß­ball­ver­eine posier­ten. Neben schon damals alt­be­kann­ten Maß­nah­men, wie bspw. Poli­zei­be­amte in Zivil, gemein­sa­men Sicher­heits­be­ra­tun­gen zwi­schen Poli­zei, Ver­ei­nen und Ver­bän­den oder gar Mel­de­auf­la­gen für ver­meint­li­che Hoo­li­gans bei Bri­sanz­spie­len, ent­hielt das Papier auch den Ein­satz soge­nann­ter Droh­nen. Jene mit Video­ka­mera ver­se­he­nen unbe­mann­ten Auf­klä­rungs­flug­zeuge, die nor­ma­ler­weise vom Mili­tär zur Feind­be­ob­ach­tung genutzt wer­den. Eine für die dama­lige Zeit ziem­lich spek­ta­ku­läre und bis dato auch ein­zig­ar­tige Maß­nahme, wenn es um Fuß­ball geht. 

Doch die Geschichte der Poli­zeidrohne in Sach­sen ist recht schnell erzählt. Erste kri­ti­sche Stim­men ertön­ten, als im Mitte April 2008 noch immer kein Flug­start über einem säch­si­schen Fuß­ball­sta­dion ver­zeich­net wer­den konnte. Sach­sens dama­li­ger Poli­zei­prä­si­dent Bernd Mer­bitz räumte gegen­über der Säch­si­schen Zei­tung ein, dass es einen sol­chen Grund zum Ein­satz schlicht­weg noch nicht gab. Ein schon damals ziem­lich teu­res und unge­nutz­tes Pres­ti­ge­ob­jekt des säch­si­schen Innen­mi­nis­ters. Die Ant­wort auf eine Anfrage von Johan­nes Lichdi (Bündnis90/Die Grü­nen) hatte erge­ben, dass allein die Anmie­tung eines Gerä­tes jedes Jahr 76.000 € kos­tete, der Ein­satz der nöti­gen “Bild­aus­wer­te­tech­nik” noch ein­mal 22.000 €. Doch kaum ertön­ten diese Stim­men, setzte die säch­si­sche Poli­zei beim Spiel Chem­nit­zer FC gegen Sach­sen Leip­zig (30.04.2008) diese zum ers­ten Mal ein. Kurz danach folgte am 02.05.2008 die zweite Flug­show des Sen­so­c­op­ters beim ver­meint­li­chen Risi­ko­spiel der SG Dynamo Dres­den gegen Rot-Weiß Erfurt rund um das Rudolf-Harbig-Stadion. Drei wei­tere Fuß­ball­ein­sätze folg­ten, 2008 in Baut­zen, erneut in Dres­den und in Zwi­ckau. Im Jahr 2009 folg­ten drei Ein­satz­flüge beim Fuß­ball, im Jahr dar­auf nur noch zwei. Es drohte die abso­lute Bruchlandung.

Man haderte vor allem mit der Bedien­bar­keit des kom­pli­zier­ten Flug­ge­räts – Abstürze und Zusam­men­stöße inklu­sive. Ans Auf­ge­ben dachte aber der Frei­staat trotz­dem nicht, im Gegen­teil. Mit dem Ver­weis, dass die bis­her getes­tete Drohne zu leicht sei, wurde im Jahr 2009 mit der MD 4–1000 ein schwe­re­res Nach­fol­ge­mo­dell zu monat­li­chen Lea­sing­ge­büh­ren von 2380€ ange­schafft. Im Februar 2011 wurde die Drohne trotz erneu­ter recht­li­cher Beden­ken zur Über­wa­chung von Demons­tra­tio­nen ein­ge­setzt. Eine Nach­frage hatte erge­ben, dass der Sen­so­C­op­ter am 13. Februar 2011 für genau 18 Minu­ten im Ein­satz war. Bil­der wur­den an die Leit­zen­trale über­tra­gen, aber nicht auf­ge­zeich­net. Für Poli­zei und Jus­tiz erwies sich die Tech­nik als völ­lig unbrauch­bar. Die Flug­ge­räte wur­den nun nur noch bei unspek­ta­ku­lä­ren Fäl­len getes­tet. Bei der Suche nach Can­na­bis­pflan­zen in Mais­fel­dern oder in Zusam­men­hang mit Ein­brü­chen war sie ebenso im Ein­satz, wie beim Sach­sen­derby zwi­schen unse­rer SG Dynamo und Erz­ge­birge Aue (20.11.2011).

Im Juli 2012 for­derte Eva Jäh­ni­gen, dama­lige innen­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frak­tion Bünd­nis 90/Die Grü­nen im Säch­si­schen Land­tag gegen­über der LVZ: “Sach­sens Drohne gehört in die Mot­ten­kiste. Die Bilanz des eins­ti­gen Pres­ti­ge­pro­jek­tes der Innen­mi­nis­ter und des Poli­zei­prä­si­den­ten Bernd Mer­bitz bleibt jäm­mer­lich.” Am 20.10.2012 erfolgte schließ­lich der bis­her letzt­ma­lige Ein­satz­flug einer Polizei-Drohne bei einem säch­si­schen Fuß­ball­spiel. Die Sport­ge­mein­schaft Dynamo Dres­den spielte gegen die Ein­tracht aus Braun­schweig und ver­lor 0:2. Zuvor gab es ledig­lich Flüge zu Präsentations- und Schu­lungs­zwe­cken, ansons­ten erfolg­ten Ein­sätze bei Spren­gun­gen von Kampf­mit­teln und zur Brandursachenermittlung.

Ein Blick in das Jahr 2020 zeigt aber, dass sich die säch­si­sche Poli­zei bis heute nicht von die­sem teu­rem Ein­satz­spiel­zeug ver­ab­schie­det hat. Ins­ge­samt wer­den aktu­ell sechs unbe­mannte Flug­ge­räte ver­schie­dens­ter Her­stel­ler und Typen betrie­ben, alle ange­schafft in den letz­ten vier Jah­ren, wel­che der­zeit größ­ten­teils zur Brandursachen- und Tat­or­termitt­lun­gen oder zur Öffent­lich­keits­ar­beit genutzt wird. Ins­ge­samt 14 Ein­satz­kräfte der Poli­zei Sach­sen sind befä­higt, diese Droh­nen zu flie­gen. Einer Anfrage der Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Marika Tändler-Walenta (DIE LINKE) zufolge soll nach Aus­sage des aktu­el­len Innen­mi­nis­ters Roland Wöl­ler (CDU) im Unter­schied zur Ver­gan­gen­heit der prä­ven­tive Ein­satz von Droh­nen zur Video­auf­zeich­nun­gen von Per­so­nen — zum Bei­spiel im Rah­men von Fuß­ball­ein­sät­zen — nicht mehr statt­fin­den. Damit wäre zwar aus der Sicht der Schwarz-Gelben Hilfe dem Rechts­staat genüge getan, nicht jedoch dem spar­sa­men Ein­satz von Steuermitteln.

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