Säch­si­sches All­heil­mit­tel — Funkzellenabfrage

8 Aug 2018 | Allgemein, Repression

Die Zahl an Funk­zel­len­ab­fra­gen in Sach­sen ist im Jahr 2017 wei­ter ange­stie­gen. Im ver­gan­ge­nen Jahr hat die säch­si­sche Poli­zei in 427 Ermitt­lungs­ver­fah­ren Abfra­gen nach allen in einer spe­zi­fi­schen Funk­zelle regis­trier­ten Mobil­te­le­fo­nen gestellt. Ein Jahr zuvor waren es noch 371 Ver­fah­ren. Inner­halb der letz­ten fünf Jah­ren, im Jahr 2012 waren es noch 104 Abfra­gen, stei­gerte sich diese Methode also um knapp 300 Prozent.

Bei einer Funk­zel­len­ab­frage erfragt die Poli­zei beim Netz­be­trei­ber, wel­che Mobil­te­le­fone sich in einem kon­kre­ten Zeit­raum in einer bestimm­ten Funk­zelle befun­den haben. In den über­mit­tel­ten Daten­sät­zen sind alle Han­dy­ver­bin­dun­gen ent­hal­ten, etwa wer wann wen anruft, eine SMS schreibt oder mobi­les Inter­net nutzt. Jede die­ser Abfra­gen muss von einem Rich­ter geneh­migt wer­den. Ziel einer Funk­zel­len­ab­frage ist es, Tat­ver­däch­tige zu ermit­teln. Es gera­ten jedoch bei jeder Funk­zel­len­ab­frage mehr­heit­lich Unbe­tei­ligte ins Raster.
Eine infla­tio­näre Nut­zung die­ses Ermitt­lungs­in­stru­men­tes scheint bei den säch­si­schen Behör­den Stand­art gewor­den zu sein, obwohl es eigent­lich nur in Aus­nah­me­fäl­len vor­ge­se­hen ist und bei Straf­ta­ten von erheb­li­cher Bedeu­tung ange­wen­det wer­den sollte. Des­wei­te­ren soll­ten Staats­an­walt­schaf­ten Funk­zel­len­ab­fra­gen nur noch dann bean­tra­gen, wenn andere Ermitt­lungs­maß­nah­men abseh­bar kei­nen Erfolg haben, um die demo­kra­ti­sche Grund­rechte zu wah­ren und nicht mas­sen­haft Bür­ger unter Gene­ral­ver­dacht zu stellen.
Wer mit sei­nem Mobil­te­le­fon in eine Funk­zel­len­ab­frage gera­ten ist, erfährt davon im Regel­fall nichts. Dabei wäre das durch­aus tech­nisch mach­bar, wie das Land Ber­lin zeigt. In die­sem Herbst soll dort ein Pilot­pro­jekt zur Benach­rich­ti­gung per SMS starten.
Davon ist Sach­sen noch weit ent­fernt. Hier gibt es bis auf die Anzahl an Ver­fah­ren und Beschlüs­sen keine wei­te­ren sta­tis­ti­schen Anga­ben über die erfolg­ten Funk­zel­len­ab­fra­gen. Die Staats­an­walt­schaf­ten füh­ren kein Buch über die Anzahl an Betrof­fe­nen, die abge­frag­ten Bestands­da­ten oder die Delikte. Wie oft Funk­zel­len­ab­fra­gen zu neuen Ermitt­lungs­an­sät­zen oder gar Ver­ur­tei­lun­gen geführt haben, ist ebenso wenig bekannt.

„Es ist ein Armuts­zeug­nis für den Rechts­staat, wenn diese Infor­ma­tio­nen weder dem Par­la­ment noch der Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung gestellt wer­den kön­nen“, kri­ti­sierte Valen­tin Lipp­mann, innen­po­li­ti­scher Spre­cher der Grü­nen im säch­si­schen Land­tag nach der Ver­öf­fent­li­chung die­ser Statistik.

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