Nachdem in den letzten Jahren bekannt wurde, dass Landeskriminalämter (LKA) und sogenannte szenekundige Beamte (SKB) Fußballdateien in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Berlin, parallel zu der schon vorhandenen bundesweiten ZIS-Datenbank führten, stellte Ende Mai die Landtagsabgeordnete der Fraktion “DIE LINKE” Juliane Nagel eine Kleine Anfrage über die Existens einer solchen Datenbank in Sachsen.
Das sächsische Innenministerium (SMI) bestätigte zwar das eine solche Datei für Fußballfans im Sinne der Fragestellung nicht existiere, man aber bestehende Auskunfts- und Datenabfrageverfahren der sächsischen Polizei und Landeskriminalämter im Phänomenbereich Gewalt und Sport nutze. Hierzu veranlassen polizeiliche Behörden u.a. die Eintragung des Vermerks “GESP” (Gewalttäter Sport) aus der bundesweiten Datei der Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in die sogenannten PASS- und IVO-Systeme.
Das PASS-System (“Polizeiliches Auskunftssystem Sachsen”) ist eine Art Verbundsystem zwischen dem Landeskriminalamt Sachsen und den Polizeibehörden des Freistaates. Diese Art der Auskunftsersuchung stufte schon der Datenschutzbeauftragte Sachsens in seinem 14.Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2009 als kritisch ein. Eine solche Zusammenarbeit sei im sächsischen Polizeigesetz gar nicht vorgesehen. Ein entsprechender Hinweis an die damalige Regierung wurde vom sächsischen Innenministerium einfach ignoriert.
Das zweite System heißt “Integriertes Vorgangsbearbeitungssystem” (IVO). Dies ist das zentrale Verfahren der Erfassung, Speicherung, Weiterverarbeitung und Auswertung polizeilich relevanter Daten im Freistaat Sachsen. Es dient dem vollständigen Nachweis vollzugspolizeilichen Handelns, unterstützt und vereinheitlicht die polizeiliche Vorgangsbearbeitung und die Steuerung polizeilicher Ermittlungsvorgänge auf Landesebene. Über Schnittstellen finden dabei regelmäßig Datenübermittlungen unter anderem zum “Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen” (PASS) sowie das “Informationssystem der Polizei des Bundes und der Länder” (INPOL) statt.
Laut SMI nutzen die Polizeidirektionen Dresden, Zwickau und Leipzig ein weiteres “ermittlungsunterstützendes System” (eFAS), welches der sogenannten operativen Fallanalyse dient. Dies vereinigt fallanalytische Methoden (Bsp. Täterprofilerstellung) mit den computergestützten Werkzeugen der polizeilich-angelegten Datenbanken. Der Einsatz dieses Systems machte vor allem im Jahr 2009 negative Schlagzeilen, da dank dieser Software durch die Polizei Sachsen Zehntausende Mobilfunkdaten und auch Tausende Kundendaten der Baumarkt-Kette OBI gespeichert und ausgewertet wurden. Bei sächsischen Landespolitikern rief die angewandte Ermittlungspraxis Empörung hervor. “Die Sammlung solch umfangreicher Daten deute auf eine systematische Überwachung der Bürger durch die Polizei des Landes Sachsen hin”, erklärte die damalige innenpolitische Sprecherin der sächsischen SPD-Landtagsfraktion Sabine Friedel.
Brisanz birgt allerdings der letzte Satz des sächsischen Innenministeriums auf die Frage der Existenz einer sächsischen Datenbank für Fußballfans. In diesem heißt es, dass die Polizeidirektion Dresden ein Verfahren namens “Gewalttätigkeiten, sonstige Straftaten sowie bedeutende Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen und Großveranstaltungen”
Dieses Verfahren wurde schon seit 2005 angewandt. Laut SMI werden in dieser Datei Tatverdächtige, Beschuldigte, Betroffene oder Verantwortliche nach einer Einzelbewertung der szenekundigen Beamten geführt. Aktuell beläuft sich die Anzahl der gespeicherten Personen auf 769, die ausschließlich der Fanszene der SG Dynamo Dresden zuzuordnen sind. Gestützt wird dieses Verfahren durch das sächsische Polizeigesetz und Datenschutzgesetz sowie der Strafprozessordnung.
Nach Antwort des SMI erfolgte die letzte Eintragung im Januar 2014 und soll in absehbarer Zeit aus dem Betrieb genommen werden.
Wir, die Schwarz-Gelbe Hilfe e.V., sehen diese Art der Speicherung der Daten von Fußballfans sehr kritisch. Nicht nur Menschen, die sicherheitsrelevant im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen in Erscheinung getreten sind, also verantwortliche und betroffene Personen werden in dieser Datei gespeichert, sondern auch ein tatverdächtiger bzw. beschuldigter Personenkreis. Es ist für das Speichern innerhalb dieser Datei also völlig irrelevant, ob die gespeicherten Fußballfans juristisch bzw. strafrechtlich für ihre Handlungen belangt wurden oder am Ende frei von jeglicher Schuld waren. Wollen die sogenannten szenekundigen Beamten die Daten einer Person dauerhaft speichern, so ist es für sie ein Leichtes, einen Grund zu finden, da scheinbar sogenannte Anfangsverdächtigungen und Eröffnung von Strafverfahren ausreichen.
Weiterhin bestehen für uns offene Fragen zu dieser Datei:
- Wie ist das Verhältnis zwischen Betroffenen, Verantwortlichen und der Personengruppe der Tatverdächtigen und Beschuldigten?
— Welche Art von Ordnungswidrigkeiten waren/sind für die Polizeidirektion Dresden bedeutend für Sport- und Großveranstaltungen?
— Welche Daten wurden in dieser Datei gespeichert? Wurden neben den Personalien auch private Details wie Arbeitgeber, Angehörige oder Spitznamen gespeichert?
— Wurden etwaige Datensätze an die Verbunddatei “Gewalttäter Sport” weitergeleitet?
— Was steht in den Einzelbewertungen der SKB´s?
— Was passiert mit den Datensätzen nach der Außerbetriebnahme der Datei?
Wir werden Euch weiterhin auf dem Laufenden zu dieser Problematik und etwaigen Vorgehensweisen der Datenabfrage aus dieser Datei halten.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe — Redet mit uns, nicht mit der Polizei!
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