Schlauch­schal im Gesicht — Amts­ge­richt Berlin-Tiergarten spricht Dyna­mo­fan frei

25 Feb 2021 | Allgemein

Im Zuge eines Ein­spruchs eines Dyna­mo­fans gegen einen Straf­be­fehl sprach das Amts­ge­richt Berlin-Tiergarten im Sep­tem­ber 2020 einen Dyna­mo­fan frei. Die­sem wurde vor­ge­wor­fen, seine Iden­ti­tät beim Spiel der SG Dynamo Dres­den in der 2. Runde des DFB-Pokalspiel im Ber­li­ner Olym­pia­sta­dion (30.10.2019) mit­tels eines soge­nann­ten Schlauch­schals ver­schlei­ert (§ 21 Ver­sammlG) zu haben. Wäh­rend des Ent­zün­dens meh­re­rer ben­ga­li­scher Feuer nach dem ver­wan­del­ten Foul­elf­me­ter von Patrick Ebert zum 2:2 Aus­gleichs­tref­fer in der 90. Spiel­mi­nute im Unter­rang des Gäs­te­blocks, bedeckte der Fuß­ball­fan Mund und Nase mit sei­nem Schlauch­schal, um damit eine Rei­zung der Atem­wege vor der mög­li­chen Rauch­ent­wick­lung der Freu­den­feuer zu verhindern.

Nach­dem sich die Rauch­ent­wick­lung wie­der gelegt hatte, legte der betrof­fene Fuß­ball­fan sei­nen angeb­li­chen Ver­mum­mungs­ge­gen­stand wie­der ab. Die über­all prä­sen­ten Kame­ras der Stadion- und Poli­zei­über­wa­chung film­ten diese ver­meint­li­che Straf­tat. Die Ber­li­ner Poli­zei lei­tete anschlie­ßend ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein und bereits wenige Minu­ten nach der Been­di­gung des DFB-Pokalspiels konnte man die ein­ge­setzte Beweis- und Fest­nah­me­ein­heit (BFE) der Ber­li­ner Poli­zei dabei beob­ach­ten, wie sie auf dem Vor­platz und der angren­zen­den Park­plätze des Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­ons sol­che ver­meint­li­chen Straf­tats­de­likte ver­fol­gen. Ohne Rück­sicht auf umste­hende Fuß­ball­fans und Zuschauer wurde eine ganze Reihe von Per­so­nen mit dem Vor­wurf des Ver­sto­ßes gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz fest­ge­hal­ten und kurz­zei­tig in Gewahr­sam genommen.

Doch zurück zu unse­rem Fall: Der beschul­digte Dyna­mo­fan erhielt vier Monate spä­ter eine poli­zei­li­che Vor­la­dung, zu wel­cher er jedoch nicht erschien, son­dern von sei­nem Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht als Beschul­dig­ter einer Straf­tat Gebrauch machte. Wenige Wochen spä­ter, Mitte Juni 2020, erhielt er auf­grund des oben genann­ten Vor­wurfs einen Straf­be­fehl des Amts­ge­richts Berlin-Tiergarten über 30 Tages­sätze á 30,00 € — sprich 900,00 € Geld­strafe. Durch einen Ein­spruch gegen den Straf­be­fehl und der Wei­ge­rung der Ber­li­ner Staats­an­walt­schaft, die­ses Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­zu­stel­len, folgte im Sep­tem­ber 2020 der Straf­pro­zess am Ber­li­ner Amtsgericht.

Die Ver­tei­di­ge­rin des Dyna­mo­fans argu­men­tierte mit einer Stel­lung­nahme gegen die völ­lig über­zo­gene Ankla­ge­schrift. “Die Iden­ti­tät mei­nes Man­dan­ten war zu jeder Zeit fest­stell­bar, da er sich über meh­rere Stun­den an der­sel­ben Posi­tion des Sta­di­ons völ­lig unver­mummt auf­hielt und nur zum Selbst­schutz sei­ner Gesund­heit für wenige Minu­ten einen Schlauch­schal über Mund und Nase zog”, so Straf­ver­tei­di­ge­rin Linda Röt­tig. Nach­dem im wei­te­ren Pro­zess­ver­lauf meh­rere ein­ge­setzte Poli­zei­be­am­ten als Zeu­gen gehört wur­den und kei­ner­lei Hin­weise zu die­sem Ver­fah­ren täti­gen konn­ten, folgte auch die Staats­an­walt­schaft in ihrem Plä­doyer der Argu­men­ta­tion der Ver­tei­di­gung. Dem Vor­sit­zen­den Amts­rich­ter, der schon im Vor­feld der Ver­hand­lung die Ein­las­sung der Ver­tei­di­gung als durch­aus glaub­wür­dig erach­tete, folgte den bei­den Plä­doy­ers und sprach den beschul­dig­ten Dyna­mo­fan frei.

Lei­der ver­folgt die Staats­an­walt­schaft Ber­lin wei­ter­hin ähn­lich gela­gerte Fälle gegen Dyna­mo­fans. Wir blei­ben für Euch wei­ter­hin am Ball.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...