Sexu­elle Aus­rich­tung ist keine Beleidigung

20 März 2024 | Allgemein

Im Nach­gang des Aus­wärts­spiels der Sport­ge­mein­schaft Dynamo Dres­den bei Hol­stein Kiel in der Sai­son 2018/19 ermit­telte die Staats­an­walt­schaft Kiel auf­grund einer Belei­di­gung gegen zwei Dyna­mo­fans wegen einer ver­meint­li­chen Belei­dung. Mit­tels eines Spruch­ban­des sol­len diese Fuß­ball­an­hän­ger den anwe­sen­den sze­ne­kun­di­gen Beam­ten (kurz: SKB) der Dresd­ner Poli­zei als “schwu­len Matro­sen” beti­telt haben. Nach­dem das Amts­ge­richt Kiel bei­den Fans eine Ankla­ge­schrift im Dezem­ber 2019 zustellte, wurde nach mehr als drei Jah­ren diese zurück­ge­zo­gen und das Ver­fah­ren end­gül­tig eingestellt.

Es ist der 33. Spiel­tag der 2. Bun­des­liga. Die SG Dynamo ran­giert auf einem siche­ren Tabel­len­platz 13 und der Klas­sen­er­halt ist so gut wie durch. Am 12.05.2019 soll nun das Spiel an der Kie­ler Ost­see­küste statt­fin­den. Die schwarz-gelbe Anhän­ger­schaft sieht einer ent­spann­ten Aus­wärts­fahrt ent­ge­gen, weder dass eine große Riva­li­tät besteht, noch dass sport­li­che Bri­sanz in der Luft liegt . Einige schwarz-gelbe Fan­grup­pen orga­ni­sier­ten sich im Vor­feld des Spiels eine gesel­lige Boots­rund­fahrt durch die Kie­ler Förde. Doch lei­der mach­ten diese Dyna­mo­fans die Rech­nung ohne die Poli­zei Dres­den und deren sze­ne­kun­di­gen Beam­ten. Mit­tels einer abstru­sen Gefah­ren­pro­gnose an die ört­li­che Aus­flugs­ree­de­rei konn­ten diese schluss­end­lich den geplante Ost­see­aus­flug dyna­mi­scher Frei­beu­ter ver­hin­dern — die Boots­tour fiel sprich­wört­lich ins Wasser.

Am Spiel­tag prä­sen­tier­ten nun einige ange­fres­se­nen Dyna­mo­fans das fol­gen­schwere Spruch­band im Gäs­te­block des Kie­ler Holstein-Stadions. Auf gro­ßen Let­tern las nun die weite Fuß­ball­welt: “Die Boots­fahrt ging in die Hose — Kai H.* du schwu­ler Matrose”. Laut Zeu­genaus­sa­gen zeigte sich der Adres­sat sicht­lich betrof­fen und fühlte sich in sei­ner Ehre gekränkt.

Die Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen einer straf­recht­lich rele­van­ten Belei­di­gung ist die Ver­let­zung der Ehre des Betrof­fe­nen. Ver­letzt wäre diese Ehrgefühl, wenn man durch eine ent­spre­chende Bezeich­nung unver­dient her­ab­ge­setzt wird. Erfor­der­lich ist für eine Her­ab­set­zung dabei ein wert­min­dern­der Inhalt der vor­lie­gen­den Äuße­rung. Eine even­tu­elle Homo­se­xua­li­tät von Poli­zis­ten kann jedoch in die­ser Form kein her­ab­set­zen­des Ele­ment sein, da das Grund­ge­setz, wel­ches Poli­zis­ten ver­tei­di­gen sollen, Homo­se­xua­li­tät als Form der sexu­el­len Ori­en­tie­rung vor jeder Dis­kri­mi­nie­rung schützt. Auch liegt es vor dem Hin­ter­grund wach­sen­der gesell­schaft­li­cher Tole­ranz fern, die sexu­elle Ori­en­tie­rung als Belei­di­gung und Her­ab­wür­di­gung zu sehen. Denn selbst inner­halb der Poli­zei gibt es mitt­ler­weile ein Netz­werk für Homosexuelle.

Wenige Monate spä­ter erhiel­ten nun zwei Dyna­mo­fans, wel­che an der Ver­tei­lung des Spruch­bands angeb­lich maß­geb­lich betei­ligt gewe­sen sein sol­len, eine Ankla­ge­schrift des Amts­ge­richts Kiel. Die zwei Dyna­mo­fans wand­ten sich an die Schwarz-Gelbe Hilfe, wel­che den bei­den jeweils einen Rechts­bei­stand ver­mit­teln konnte.

Nach­dem diese ihre jewei­li­gen Stel­lung­nah­men über die straf­recht­li­che (Nicht-)Relevanz die­ses Spruch­band­in­halts, die Zusam­men­hänge zwi­schen See­fah­rern, deren sexu­eller Ori­en­tie­rung und dem heu­ti­gen Sprach­ge­brauch ver­schick­ten, lisich das Amts­ge­richt Kiel meh­rere Jahre Zeit zur Ent­schei­dung. Schluss­end­lich wurde die Ankla­ge­schrift zurück­ge­zo­gen und das Ver­fah­ren nach § 170 (2) StPO ein­ge­stellt.

Schwarz-Gelbe Hilfe e.V.

*Name anony­mi­siert

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