Die Folgen aus Karlsruhe & Magdeburg
Neben dem vermeintlichen Alltag rund um die Spiele der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden gehören die Ermittlungen rund um das Auswärtsspiel und dem Auftritt der “Football-Army” Dynamo Dresden in Karlsruhe auch weiterhin zu unseren größten Themen. Nach den Hausdurchsuchungen im Dezember 2017 in Zusammenarbeit mit der sächsischen und baden-württembergischen Polizei und der darauffolgenden Gründung des “Solidaritätskomitee Dynamo” herrschte lange Zeit wenig Bewegung in diesem Verfahren. Während die Ermittler in Karlsruhe gesammelte Objekte und Materialien der Hausdurchsuchungen auswerteten, lief und läuft die Spendenbereitschaft in der Dynamofanszene auf Hochtouren an. Ein großer Dank hierbei an alle Unterstützer für die zahl- und fantasiereichen Spendenaktionen. Anfang Juli gab das Soko Dynamo bekannt, dass der Kreis der von den Ermittlungen betroffenen Dynamofans auf nunmehr 58 Personen angestiegen ist. Bereits kurz nach den Hausdurchsuchungen der 28 betroffenen Dynamofans vor eineinhalb Jahren hatte der Sprecher der Karlsruher Staatsanwaltschaft einräumen müssen, dass man keinen Tatverdächtigen hätte, von dem man konkret sagen könne, dass er Pyrotechnik geworfen oder Polizisten verletzt haben soll. Ähnlich wird sich dies bei den weiteren Betroffenen verhalten.
Jetzt, über 2 Jahre nach dem Spiel in Karlsruhe, gibt es erste Ergebnisse. Der Großteil der Beschuldigten des ersten Kreises, die von den Hausdurchsuchungen betroffenen waren, ist durch ein Strafbefehlsverfahren rechtskräftig verurteilt worden. Für aktuelle Entwicklungen, Details und Neuigkeiten legen wir Euch die Homepage www.soko-dynamo.org ans Herz. Zeigt Euch weiterhin solidarisch und unterstützt 58 Betroffenen, denn gemeint sind wir alle!
Ein wenig anders hingegen verhält sich die juristische Aufarbeitung der Ereignisse rund um das Aufstiegsspiel der SGD in Magdeburg am 16.04.2016. Auch hier lag der Fokus von Seiten der Justiz allein auf dem vermeintlichen Fehlverhalten der Dynamofans, welche im Gegensatz zu polizeilichen Übergriffen und Gewalttaten nicht durch schnelle Einstellungen vom Tisch gewischt wurden. Die Staatsanwaltschaft Dresden erhob gegen 37 Dynamofans Anklage, in 17 Fällen folgte eine Gerichtsverhandlung. Sieben Anhänger wurden zu Freiheitsstrafen, die zu Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt, neun weitere Personen erhielten Geldstrafen. Gegen einen großen Teil dieser Urteile wurde Berufung eingelegt. Diese Fans warten inzwischen mehr als drei Jahre nach dem verhängnisvollen Aufstiegsspiel auf ihre Verfahren am Landgericht. Lediglich ein Dynamofan konnte mit Hilfe seiner Anwältin, welche eine Videosequenz im Internet fand und ihn dadurch von allen Vorwürfen entlastete, einen Freispruch erzielen. Der Polizeibeamte, der den betroffenen Dynamofan vor Gericht stark belastete, hat nun selbst ein Verfahren am Hals. Weiterhin wurden über 40 Verfahren gegen schwarz-gelbe Anhänger aus verschiedensten Gründen eingestellt. Insgesamt zwanzig weitere Anhänger warten weiterhin auf ihre Gerichtsverfahren. Doch auch hier gibt es eine neue Entwicklung. Gab die Staatsanwaltschaft Magdeburg in der Vergangenheit vermehrt die Verfahren an die Dresdner Staatsanwaltschaft ab, versucht man nun das große juristische Prozedere mit Hilfe von Strafbefehlen zu umgehen. Betroffene der Magdeburg-Verfahren können sich weiterhin hilfesuchend an uns wenden.
CDU & SPD verschärfen sächsische Polizeigesetze
In nahezu allen Bundesländer der BRD entbrannten in den letzten Jahren auf statistisch kaum erfassbare Einzelfälle politische Diskussionen über die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und deren Rechte. Nachdem Bayern mit diversen Verschärfungen in den Jahren 2017 und 2018 mittlerweile die Vorreiterrolle einzunehmen scheint, folgten weitere Bundesländer. Das bayrische Gesetz, welches nun bundesweit als Muster gelten soll, gibt der Polizei Befugnisse, wie sie bisher nur Geheimdienste hatten. Es gibt ihr Waffen, wie sie bislang nur das Militär in Ausnahmefällen verwenden durfte. Es gibt ihr Eingriffs- und Zugriffsrechte, wie sie in einem Rechtsstaat nur Staatsanwälte und Richter haben dürfen. Die neuen Polizeigesetze machen aus der Polizei eine “Darf-fast-alles-Behörde”. So auch die Reform der sächsischen Gesetze, die nun ‑trotz umfangreicher Proteste zum Jahreswechsel 2019/20- in Kraft treten werden. Behörden können nun aufgrund von alkoholbedingten Ordnungswidrigkeiten (Ruhestörung, Wildpinkeln) pauschal Alkoholverbotszonen errichten. Erkennungsdienstliche Behandlungen, die vorher zumindest einer Abwägung bedurften, können ohne Weiteres nun an Fans durchgeführt werden, solange es die polizeiliche Annahme gibt, dass bspw. im Stadionbereich Straftaten zu erwarten sind. Der rechtlich undefinierte Begriff des “Gefährders” ermöglicht der sächsischen Polizei ein präventives Eingreifen in sämtliche demokratische Grundrechte von Betroffenen. Betretungsverbote, Hausarreste, die mit Fußfesseln durchgesetzt werden sollen, große Lauschangriffe, pauschale Kriminalisierung des Freundes- und Bekanntenkreises durch Kontaktverbote und Speicherung dieser Personen sind nur einige Beispiele der tiefgreifenden Veränderungen. Des Weiteren sollen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten durch die sächsische Polizei ausgebaut werden. Die Kennzeichenerfassung im sogenannten “Grenzraum” ist hier nur ein Beispiel. Dieser Bereich bedeckt gut ein Drittel der sächsischen Landesfläche und ermöglicht der Polizei künftig bspw. umfassende Bewegungsprofile von Menschen zu erstellen — von einem Generalverdacht sämtlicher sächsischer Bürger ganz zu schweigen. Letztlich handelt es sich bei dieser Gesetzesreform um einen Frontalangriff auf die vom Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte aller Bürger dieses Landes.
Stadionverbote? — Reformbedürftig!
Im Thema Stadionverbote zeigt sich eine erfreuliche Entwicklung. Langjährige bundesweite Initiativen der aktiven Fanszenen und Fanhilfen haben dazu geführt, dass mittlerweile jedem betroffenen Fan das Recht auf eine Anhörung gestattet wird. Somit haben Beschuldigte die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen, um dem Antrag der Polizei an die Vereine oder dem Verband auf Erteilung eines Stadionverbotes etwas entgegenzusetzen. Dies ist eine positive Entwicklung, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Aus unserer Sicht müssen die Stadionverbotsrichtlinien des DFB komplett neu und eines Rechtsstaates würdig gestaltet werden. Vor allem mussdas Grundprinzip der Unschuldsvermutung gelten. Ein Stadionverbot sollte erst dann ausgesprochen werden können, wenn auch der von polizeilichen Ermittlungen betroffene Fan rechtskräftig von einem ordentlichen Gericht verurteilt wurde. Eine präventive Aussprache solcher, angeblicher Erziehungsmaßnahmen, hatte in der Vergangenheit oft zur Folge, dass Fans mit einer solchen Einschränkung belegt wurden, obwohl sie später von einem Gericht freigesprochen oder die Ermittlungen gar eingestellt wurden. Man stelle sich nur vor, was dies mit einem Jugendlichen macht, der bisher an Gerechtigkeit oder eine Rechtsstaatlichkeit in der BRD geglaubt hat.
Schwarz-Gelbe Hilfe? — Jetzt erst Recht!
Die Schwarz-Gelbe Hilfe wächst immer weiter. Wir sind derzeit die mitgliederstärkste Faninitiative der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden und ein Einbruch der Mitgliederzahlen ist nicht zu erwarten. Natürlich hat dies einen faden Beigeschmack, aber es zeigt, dass sich die Fanszene der SGD mit von Polizeiwillkür und Justizgebahren betroffenen Fans solidarisch zeigt. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen. Nur als eine Einheit können wir den Allmachtsfantasien irgendwelcher Innenminister in Ost & West annähernd die Stirn bieten. Diese Entwicklung zeigt sich auch auf bundesdeutscher Ebene. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fanhilfen wird immer enger und inzwischen haben sich bundesweit weiterer solcher Initiativen gegründet. Dies hilft nicht nur den von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Fans, sondern bildet auch einen Gegenpol zu den Schreihälsen deutscher Polizeigewerkschaften und Law & Order-Fanatikern aller möglichen Parteien.
Wir machen weiter. Für Euch und für Dynamo!
Schwarz-Gelbe Hilfe