Wenn der Niko­laus zwei­mal klingelt …

7 Jun 2022 | Allgemein

Am Fuße eines mar­kan­ten Ber­ges liegt ist ein wild­ro­man­ti­sches Städt­chen in den Wei­ten des schwarz-gelben Dyna­mo­lan­des. Klare Bot­schaf­ten und Lie­bes­be­kun­dun­gen für die Sport­ge­mein­schaft Dynamo Dres­den säu­men die Stra­ßen und Zug­stre­cken der Region. Doch nicht allen Ein­woh­nern die­ser Ort­schaft gefie­len die Male­reien eini­ger Dyna­mo­fans an den Strom­käs­ten und die schwarz-gelben Ver­zie­run­gen an den Häuserwänden.
Anzei­gen wur­den geschrie­ben, neu­este Kunst­werke in Ver­eins­far­ben foto­gra­fiert und ver­mes­sen, Klatsch & Tratsch aus der Nach­bar­schaft und des Schul­hofs auf­ge­schnappt — die Poli­zei ermit­telte auf Hochtouren.

Eines Tages im Jahr 2018 stol­per­ten die ermit­teln­den Beam­ten aller­dings über fri­sche Spu­ren in der Umge­bung eines hei­ßen Tat­orts — Male­ru­ten­si­lien und Soh­len­ab­drü­cke im Wald. Die Beam­ten rochen Lunte und so folgte, vor­al­lem mit dem Blick auf den Vor­wurf der Sach­be­schä­di­gung, eine Spu­ren­si­che­rung die im Laufe der Ermitt­lun­gen sei­nes Glei­chen suchte.

Die Gerüchte vom Schul­hof wur­den wie­der her­vor­ge­holt und das Pro­fil eines üblen dyna­mi­schen Schmier­finks wur­den deut­li­cher. Für einen jun­gen Dyna­mo­fan folgte eine Vor­la­dung zur erken­nungs­dienst­li­chen Behand­lung bei der ört­li­chen Poli­zei­dienst­stelle. Auf­grund gefun­de­ner Spu­ren woll­ten diese neben Fin­ger­ab­drü­cken auch Bil­der und eine Per­so­nen­be­schrei­bung des Tat­ver­däch­ti­gen anfertigen.

Der noch min­der­jäh­rige Schlach­ten­bumm­ler suchte nun den Rat bei der Schwarz-Gelben Hilfe. Es folgte von Sei­ten der recht­li­chen Ver­tre­tung des Beschul­dig­ten ein Antrag auf gericht­li­che Ent­schei­dung über die Anord­nung zur ED-Behandlung. Wenig spä­ter ent­schied das zustän­dige Amts­ge­richt, dass die Anfer­ti­gung von Bil­dern des Tat­ver­däch­ti­gen und die Erstel­lung einer Per­so­nen­be­schrei­bung nicht rech­tens seien, da hier ganz klar Ver­gleichs­ma­te­ria­lien, wie etwa Zeu­gen­aus­sa­gen zum Täter oder ähn­li­ches, in der Ermitt­lungs­akte fehl­ten. Nur die Abgabe der Fin­ger­ab­drü­cke wäre zuläs­sig, da an den gefun­de­nen Mate­ria­lien sol­che gefun­den wurden.

Nach­dem die Fin­ger­ab­drü­cke abge­ge­ben wur­den und diese schein­bar nicht iden­tisch mit denen des Ver­gleichs­ma­te­ri­als waren, folgte der nächste Schritt der Ermitt­ler. Nichts­ah­nend und mit blitz­saube­ren Schu­hen im Woh­nungs­kor­ri­dor, öff­nete der junge Dyna­mo­fan am Niko­laus­tag des Jah­res 2019 die Wohnungstür.
Doch anstatt des Niko­lau­ses mit Süßig­kei­ten im Sack, stan­den nur Poli­zei­be­amte mit Rute und Haus­durch­su­chungs­be­schluss in der Hand. Ziel der mor­gend­li­chen Poli­zei­maß­nahme: die Beschlag­nah­mung aller Schuhe zum Ver­gleich mit dem am Tat­ort gefun­de­nen Sohlenprofil.

Da aber auch hier die fal­schen Niko­läuse der Poli­zei nicht die rich­ti­gen Schu­hen fan­den, woll­ten diese noch nicht auf­ge­ben und es folgte der finale Coup. Die am Ort der Male­rei gefun­de­nen Uten­si­lien wur­den noch ein­mal aus der Asser­va­ten­kam­mer geholt und auf DNA-Material gescannt. Man wurde fün­dig und es wurde mensch­li­ches Erb­gut extra­hiert. Es folgte die Anord­nung zur DNA-Abgabe, wel­che auch vor dem Amts­ge­richt standhielt.
Damit erzielte die ermit­telnde Poli­zei einen Sieg, da das am Tat­ort extra­hierte Erb­gut mit dem zwangs­weise abge­ge­be­nen DNA-Abstrich iden­tisch war.

Die Akte der Ermitt­ler zu den Fan­farb­ma­le­reien für die SGD in der Region konnte nun end­lich geschlos­sen und an die Staats­an­walt­schaft über­ge­ben wer­den. Doch diese stellte, auch nach Inter­ven­tion der anwalt­li­chen Ver­tre­tung, kur­zer­hand nahezu alle Tat­vor­würfe zu den Graf­fi­tis ein. Der Grund war so ein­fach, wie logisch, denn nur das Graf­fiti, an dem wirk­lich die Spu­ren gefun­den wur­den, kam als ein­zig nach­weis­ba­rer Tat­ort in Frage. Alle ande­ren Anschul­di­gun­gen zu etwa­igen Farb­ma­le­reien mit Bezug zu den schwarz-gelben Kickern aus Dres­den in der Region muss­ten nach § 170 Abs. 2 StPO fal­len gelas­sen werden.

Vier Jahre nach Eröff­nung der Ermitt­lun­gen folgte im März 2022 die Gerichts­ver­hand­lung — das Ver­fah­ren gegen den damals noch min­der­jäh­ri­gen Dyna­mo­fan wurde gegen ein paar dut­zend Arbeits­stun­den ein­ge­stellt. Ob sich der Auf­wand der ermit­teln­den Poli­zei­be­am­ten gelohnt hat, liegt nun am Ende im Auge des Steu­er­zah­lers. Auf­grund des jugend­li­chen Alters und des Über­ei­fers der poli­zei­li­chen Maß­nah­men unter­stützte die Schwarz-Gelbe Hilfe den Dyna­mo­fan umfas­send bei der Beglei­chung der Anwaltskosten.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...