Pri­vate Täter­su­che? Der Ver­ein als Poli­zei 2.0

8 Jul 2014 | Repression

In den ver­gan­ge­nen Wochen wur­den durch die ver­schie­de­nen Fan­hil­fen ein­zelne Punkte des DFB-Papieres her­aus­ge­grif­fen und behan­delt (1 2 3 4 5). Wir möch­ten heute nun Punkt 3 des 9‑Punkte Pla­nes etwas näher beleuchten:

“Effek­tive Tat­auf­klä­rung und Täterermittlung”
Der erste Satz des Abschnit­tes lau­tet dabei wie folgt: “Effek­tive Tat­auf­klä­rung und Täter­er­mitt­lung durch die Ver­eine stel­len zen­trale Pflich­ten des Heim- und des Gast­ver­eins dar.” Was bedeu­tet das nun im Klartext?

Vom Prin­zip her for­dert hier eine nicht-staatliche Insti­tu­tion, wel­che der Deut­sche Fußball-Bund nun mal ist, Ver­eine bzw. Kapi­tal­sport­ge­sell­schaf­ten auf, pri­vate Tat­er­mitt­lun­gen anzu­stel­len, um damit zur Auf­klä­rung von Straf­ta­ten bei­zu­tra­gen. Der DFB über­trägt somit eigent­lich staat­li­che Auf­ga­ben an die Fuß­ball­klubs. Die höchste Maxime der straf­pro­zes­sua­len Rechts­ord­nung, die soge­nann­ten Offi­zi­al­ma­xime würde dabei aus­ge­he­belt wer­den. Diese besagt, dass Straf­ver­fol­gung grund­sätz­lich eine zen­trale Auf­gabe des Staa­tes bzw. der staat­li­chen Behör­den, also der Staats­an­walt­schaft, ist, und nicht des Ver­letz­ten bzw. Geschä­dig­ten. Ein Hin­ter­grund der Straf­ver­fol­gung durch staat­li­che Behör­den ist es, ohne Beein­flus­sung objek­tiv zu ermit­teln. D.h. es wer­den nicht nur belas­tende, son­dern eben auch ent­las­tende Beweise
gesam­melt. Ein Ein­griff in die­sen Pro­zess durch pri­vate Ord­nungs­dienste, wel­che die Ver­eine nach For­de­rung des DFB ver­mehrt auf eigene Kos­ten zur Tat­er­mitt­lun­gen ein­set­zen sol­len, hat einen wei­te­ren Abbau rechts­staat­li­cher Prin­zi­pien und des Recht des Ein­zel­nen zur Folge, denn für pri­vate Ermitt­lun­gen gel­ten in Deutsch­land ledig­lich die gesetz­li­chen Rege­lun­gen des Bundesdatenschutzgesetzes.

Das Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG) regelt die Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung von Daten. Bei Fuß­ball­fans sind das in der Regel per­so­nen­be­zo­gene Daten. Hier­bei wird klar defi­niert, dass diese Daten (bei­spiels­weise Video­ma­te­rial vom Fan­block) grund­sätz­lich ver­wen­det (Ver­ar­bei­tung) und auch archi­viert (Spei­che­rung) wer­den dür­fen. Grund­lage dafür ist die Zustim­mung der Per­son, deren Daten erho­ben wer­den sol­len. Ohne diese Zustim­mung sind Erhe­bung, Spei­che­rung und Ver­ar­bei­tung nur dann zuläs­sig, wenn der begrün­dete Ver­dacht besteht, dass die Ziel­per­son einen Rechts­ver­stoß began­gen hat. Müs­sen wir als Fuß­ball­fans also in Zukunft mit dem Kauf einer Ein­tritts­karte sol­chen pri­vat­recht­li­chen Ein­grif­fen zustim­men und wer­den somit erneut unter
Gene­ral­ver­dacht genom­men? Erin­nert man sich an das Sicher­heits­pa­pier vom 12.12.2012, das fast alle Ver­eine der 1. und 2. Bun­des­liga unter­schrie­ben haben, dann ist mit einem Wider­spruch der Klubs gegen­über die­ser Maß­nah­men nicht zu rech­nen. Bereits jetzt wer­den zwar auf der einen Seite Dia­loge geführt, wäh­rend man jedoch auf der ande­ren Seite durch vor­raus­ei­len­den Gehor­sam Fan­rechte wei­ter beschnei­det. Alle Gesprächs­be­reit­schaft nützt nichts, wenn durch wei­tere “Maß­nah­men­ka­ta­loge” Fak­ten geschaf­fen wer­den, die letzt­lich jeder Ver­ein auch mit­tra­gen muss.

Abge­se­hen von einer solch zwei­fel­haf­ten Abgabe sei­ner Per­sön­lich­keits­rechte am Sta­di­on­ein­gang sind sol­che Maß­nah­men auch bezüg­lich des Daten­schut­zes als extrem pro­ble­ma­tisch ein­zu­stu­fen. In der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit lässt gerade sind der Umgang mit pri­vat gesam­mel­ten sen­si­blen Daten Raum für erheb­li­che Zwei­fel. Exem­pla­risch seien dabei die Vor­fälle bei der Deut­schen Bahn und eini­gen Lebens­mit­tel­dis­coun­tern erinnert.

Vor dem Hin­ter­grund, dass es bis­lang noch nicht ein­mal eine unab­hän­gige Kon­troll­in­stanz bei staat­li­chen Exe­ku­tiv­kräf­ten gibt, bleibt ebenso die Frage nach der Kon­trolle eines sol­chen Sicher­heits­ap­pa­ra­tes unbe­ant­wor­tet. Bei Kri­tik oder Pro­tes­ten von Fan­grup­pen oder ein­zel­nen Fans könnte man diese noch ein­fa­cher mund­tot machen und aus dem Fuß­ball­sta­dion ent­fer­nen, da der han­deln­den Ver­eins­füh­rung nun, neben dem schon bereits bestehen­den Sta­di­on­ver­bot (wel­ches auf­grund einer feh­len­den Unschulds­ver­mu­tung recht­lich ebenso als min­des­tens pro­ble­ma­tisch ein­zu­stu­fen ist) ein wei­te­res repres­si­ves Mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen würde. Das Publi­kum als sol­ches wäre durch den Ver­band, aber auch durch die Füh­rung der Ver­eine sehr viel leich­ter aus­tauschba. Kri­ti­sche Fuß­ball­fans wür­den dann über kurz oder lang aus den Sta­dien verschwinden.

So bleibt zusam­men­zu­fas­sen, dass eine Pseu­do­de­batte wei­ter befeu­ert wird, anstatt in Fan­be­auf­tragte, Fan­pro­jekte oder andere gewalt­prä­ven­tive Insti­tu­tio­nen zu ver­trauen und ihre Arbeit auch finan­zi­ell und nicht nur mit Wort­hül­sen aktiv zu unter­stüt­zen. Der Punkt 3 der 9‑Punkte Plans deu­tet eher auf sehr viel mehr repres­sive Maß­nah­men hin. Mit dem geplan­ten Aus­bau des Sicher­heits­ap­pa­ra­tes würde sich der, im Unter­schied zu vie­len sozia­len Pro­jek­ten finan­zi­ell wesent­lich bes­ser gestellte, Fuß­ball damit wie­der ein­mal sei­ner gesell­schafts­po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung entziehen.

Mehr Artikel

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge
Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Straf­be­fehle gegen Sozi­al­ar­bei­ter in Fan­pro­jek­ten sind unhalt­bar – Ermitt­lun­gen gegen Fuß­ball­fans neh­men gro­teske Züge

Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat öffentlich gemacht, dass Sozialarbeiter im Fanprojekt Karlsruhe mit Strafbefehlen überhäuft wurden, weil sie sich an ihre Schweigepflicht gehalten und nicht gegen Fußballfans ausgesagt haben. Die...