Das Ziel unserer Stellungnahme zu den Ereignissen am 16. April soll es sein, die Vorfälle von Magdeburg aufzuarbeiten und gleichzeitig der durchweg negativen Berichterstattung durch die Polizei und die Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg eine eigene Sichtweise entgegensetzen. Während sich im Nachgang unsere Anhänger sogar vom eigenen Verein vorschnell als “asozial” diskreditieren lassen mussten, wollen wir mit unserer Aufarbeitung dafür Sorge tragen, dass nicht noch einmal hunderten Dynamofans der Besuch ihrer Lieblinge verwehrt bleibt. Bei unserer Betrachtung werden wir uns lediglich auf die Ereignisse im direkten Umfeld zum Stadion beziehen. Fakt ist, es kam an dem Tag auch zu Fehlverhalten einzelner Personen aus unseren Reihen, dennoch darf dies nicht zu einer Kollektivbestrafung der überwiegend völlig friedlichen Masse unserer Fans führen.
Zeitlicher Ablauf der Ereignisse:
Bei planmäßiger Abfahrt erreichte der aus Dresden kommende und von der Deutschen Bahn eingesetzte Entlastungszug erst mit etwa 40 Minuten Verspätung gegen 12:15 Uhr den Bahnhof Magdeburg-Herrenkrug. Trotz der Verspätung begleiteten mehrere unterschiedliche Polizeieinheiten unsere etwa 1.000 Anhängerinnen und Anhänger nicht auf direktem Weg (Herrenkrugstraße), sondern über Umwege (Breitscheidstraße bis zur Furtlake) zum Heinz-Krügel-Stadion. Auf dem Marsch kam es, trotz der Bitte der Polizei, dies zu unterlassen, an mehreren Stellen zum Einsatz von Pyrotechnik. Bis dahin konnte die Einlasssituation als entspannt bezeichnet werden. Als der Zug nach einem etwa einstündigen Fußmarsch gegen 13:30 Uhr im Stadionbereich ankam, war der Zugang A zu einem Nebenplatz des Stadions von mehreren Hamburger Gittern trichterförmig eingezäunt. An dieser Stelle kontrollierte das Sicherheitspersonal die Eintrittskarten per Sichtkontrolle, während sowohl rechts und links, als auch hinter dem Zaun Polizeikräfte (Berliner Einsatzhundertschaft) positioniert waren.
Nachdem etwa 200 Personen den ersten Kontrollbereich passiert hatten, wurden gegen 13:40 Uhr aus der Menge vor Zugang A heraus mehrere Rauchtöpfe in verschiedenen Farben geworfen. Daraufhin drängte ein Teil der Menschen in Richtung der Kartenvorkontrolle und es kam kurz zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und den privaten Ordnungskräften. Nur wenig später wurde der bis dahin offene, etwa zwei Meter breite Eingang durch zwei Schwenktore geschlossen. Unmittelbar danach stürmten die links und rechts positionierten Polizeieinheiten, darunter auch eine sächsische Einheit, seitlich in die Menschenmenge vor der Schleuse und schlugen auf alles ein, was ihnen in den Weg kam. Desweiteren kam es zu einem massiven Einsatz von Pfefferspray, welches nicht gezielt, sondern großflächig eingesetzt wurde. Als Reaktion auf den geschlossenen Zugang kam es auch hinter dem Zaun zu kurzen Zusammenstößen zwischen Teilen der bereits in den Trainingsbereich gelangten Fans mit der Polizei und den Ordnungskräften. Im Anschluss daran beruhigte sich die Situation zunächst wieder und unsere Fans halfen denjenigen, die durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt worden waren. Der Zugang jedoch blieb ab diesem Zeitpunkt, trotz gegenteiliger Aussagen von Polizei und Ordner, dauerhaft verschlossen.
Anschließend versammelten sich ein Großteil der nach Drinnen gelangten Anhänger etwa 50 Meter von Zugang B entfernt. Zu diesem Zeitpunkt machten erste Gerüchte die Runde, wonach dem restlichen Anhang der Zugang zum Stadion verwehrt bleiben sollte. Obwohl das Spiel bereits begonnen hatte, dauerte es auch an Zugang B etliche Minuten, bevor Menschen durchgelassen wurden. Doch weiter als bis zum verschlossenen eigentlichen Stadioneingang sollten die meisten an diesem Tag nicht kommen. Ein Teil der ins Stadion gelangten Fans versuchte kurze Zeit später den Gästeblock (14:15 Uhr) zu verlassen und obwohl der Gästebereich nur etwa zur Hälfte gefüllt und hermetisch abgeriegelt war, kam es auch dort zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Den Gästefans im Sitzplatzbereich war das Verlassen des Blocks bis zum Spielende durch eine Polizeikette unmöglich, lediglich die Dresdner Anhänger im Stehplatzbereich konnten ab der 40. Spielminute den Block, nicht jedoch das Stadion verlassen. Die direkt vor den Blockausgängen postierten Polizeikräfte setzten mehrfach Pfefferspray ein um das Verlassen der Blöcke zu verhindern. Nachdem in der zweiten Halbzeit vor dem Gästebereich ein Rauchtopf gezündet und eine Leuchtkugel auf die Fußballfans aus Magdeburg geschossen wurde, unterbrach der Schiedrichter die Partie. Erst mit einigen Minuten Verzögerung konnte die Partie daraufhin wieder angepfiffen werden.
Spielunterbrechung in Magdeburg. Dynamospieler versuchen Fans zu beruhigen #FCMSGD #sgd1953
— Radio Dresden (@RadioDresden) 16. April 2016
Nach einigen, sicherlich auch der inzwischen weit fortgeschrittenen Zeit geschuldeten, Rangeleien war zuvor auch Zugang B durch die Polizei und Ordnungskräfte gesperrt worden. Dort standen die Menschen dicht gedrängt über fast 30 Minuten, ohne dass sich ein Durchkommen abzeichnete. Auch an dieser Stelle fand von Seiten des 1. FCM, aber auch der Polizei, keinerlei Kommunikation statt. Vielmehr attackierten mehrfach Beamte einer dort eingesetzten Berliner Einsatzhundertschaft die dicht gedrängten Menschen mit Faustschlägen und Pfefferspray. Nachdem auch im Bereich zwischen dem letzten Zugang C und Zugang B immer wieder Beamte mit Pfefferspray gegen die vor dem Eingang wartenden Fans vorgingen, zogen sich schließlich die Ordnungskräfte fast komplett vom Stadioneingang zurück. Anschließend stürmte die Polizei auf die nur ein Zaun vom Gästeblock entfernten Fans unserer Mannschaft zu und prügelte nahezu alle Anhänger wieder zurück in Richtung Zugang A. Als ein Großteil der Menschen daraufhin den Sportplatz erreicht hatte, begann die Polizei damit, etwa 200 Fans einzukesseln. Obwohl sich damit die letzte noch verbliebene größere Gruppe vom Stadioneingang wegbewegt hatte, gingen die Beamten mehreren Augenzeugenberichten zufolge dabei äußerst brutal vor. Neben dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray wurde an dieser Stelle auch zum ersten Mal an diesem Tag Tränengas eingesetzt. Während viele der eingekreisten Menschen mit den Folgen dieses Einsatzes zu kämpfen hatten, schlugen und traten BFE-Einheiten der Bundespolizei auf die teilweise schon am Boden liegenden Fans ein und verletzten dabei mehrere Personen zum Teil schwer. Zugleich beleidigten die in Teilen vermummten Beamten die so festgesetzten Personen und fesselten sie mit Kabelbindern am Boden. Anschließend wurde nach langem Warten ein Teil der am Boden sitzenden gefesselten Fans mit Personalausweis fotografiert. Als der Schlusspfiff näher rückte, wurden alle plötzlich wieder freigelassen und hinter Zugang A gebracht, wo mehrere hundert Menschen über Stunden vergeblich auf einen Einlass gewartet hatten.
Vorgehen der Polizei:
Schon auf den Anreisewegen war die Polizei nach Berichten von Autofahrern überfordert oder zumindest nicht sonderlich daran interessiert, alle Gästefans zum richtigen Eingang bzw. den Parkplätzen zu leiten. Im Verlauf des weiteren Einsatzes gab es unserer Wahrnehmung nach niemanden auf Seiten der Polizei, der über Kommunikation versucht hat, die Situation zu deeskalieren. Stattdessen berichteten Fans übereinstimmend nicht nur von Provokationen und Beleidigungen durch die Polizei, sondern, mit dem Eintreffen eines Großteils der Anhänger am Stadion ‚auch von körperlichen Angriffen die darauf abzielten, Menschen gezielt zu verletzen. Besonders im näheren Stadionumfeld fiel dabei vor allem eine Berliner Einsatzhunderschaft auf, aus der sich von oben immer wieder einzelne Beamte über die als zusätzliche Sperre vorgesehenen Bauzäune lehnten, um die davor eng aneinander gepressten Fans mit Faustschlägen zu attackieren. Bei der zuvor beschriebenen Einkesselung von etwa 200 Fans attackierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bundespolizei wahllos Personen mit Faustschlägen und Tritten, zusätzlich setzten sie Schlagstöcke sowie Pfefferspray/Tränengas ein. Zu keinem Zeitpunkt kümmerte sich die Polizei um die teilweise schwer verletzten Fans, vielmehr wurde davon berichtet, dass Rettungskräften der Zugang zu offensichtlich verletzten Menschen verweigert wurde. Trauriger Höhepunkt war ein Fußballfan, der, obwohl er zuckte und Schaum vor dem Mund hatte, im Eingangsbereich unmittelbar vor dem geschlossenen Stadioneingang mehrere Minuten hilflos liegengelassen wurde.
Fazit:
Für uns entsteht der Eindruck, als ob es an diesem Tag von Seiten des 1. FC Magdeburg unter tätiger Mithilfe der Polizei zu keinem Zeitpunkt das Ziel gab, alle Gästefans pünktlich zu Spielbeginn an und ins Stadion kommen zu lassen. Trotz etlicher eingesetzter privater Sicherheitsunternehmen und hunderter Polizisten gelang es nie, die Sicherheit der Fußballfans sowohl vor, als auch im Stadion zu gewährleisten. Stattdessen sorgten insgesamt drei unabhängig voneinander eingerichtete Kontrollbereiche dafür, dass sich die Einlasssituation mit dem vorhersehbaren Eintreffen von knapp 1.000 Menschen kurz vor Anpfiff zusehend verschärfte. Zwar trifft auch unsere eigenen Anhänger an einigen Stellen eine Mitschuld, dennoch zeugt es in unseren Augen nicht gerade von Professionalität, wenn die für die Sicherheit verantwortlichen Parteien weder strukturell, noch personell für den reibungslosen Ablauf einer Sportveranstaltung in dieser Größenordnung sorgen können. Vielmehr hat die Polizei an etlichen Stellen sogar bewusst die Auseinandersetzung gesucht, um dabei offenbar gezielt Menschen zum Teil schwer zu verletzen. Dafür spricht nicht nur eine sehr hohe Zahl an verletzten Fußballfans, schätzungsweise 150, sondern gerade auch die geringe Zahl von lediglich sechs Ingewahrsamnamen und circa 30 Personalienfeststellungen im Kessel des Trainingsgeländes. Dass diese Angaben im Widerspruch zu den von der Polizei zunächst herausgegebenen Informationen standen, wonach neben 15 Beamten auch ein Ordner verletzt und insgesamt 19 Personen festgenommen worden sein sollen, sind nur einige der Ungereimtheiten eines scheinbar völlig aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatzes.
Veranstalter hat Hausverbot gegen Dynamofans vorm Stadion ausgesprochen, nicht die Polizei. Sie berät über weitere Maßnahmen! #fcmsgd — Radio Dresden (@RadioDresden) 16. April 2016
Verein hat entschieden,die v.dem Stadion befindlichen ca.700 Dresdner Fans nicht mehr ins Station zu lassen @1_FCM @dynamodresden @Magdeburg
— Polizei ST PD Nord (@PolizeiPDNord) 16. April 2016
Trotz intensiver Recherche und der detailierten Auswertung der Vorfälle am Gästeblock des Heinz-Krügel-Stadions in Magdeburg, bleiben für uns weiterhin einige Fragen offen:
Wer hat wann die Entscheidung getroffen, den mehr als siebenhundert Anhängern des Gastvereins den Zutritt zum Stadion zu verweigern?
Woher kommt die vom Geschäftsführer des 1.FC Magdeburg, Mario Kallnik, behauptete und anschließend medial verbreitete Zahl von “mehr als dreihundert Dresdner Fans ohne gültiges Ticket”?
Gab es bei den Sicherheitsgesprächen im Vorfeld bereits einen Austausch darüber, im Fall von Ausschreitungen außerhalb des Stadions, den Gästebereich zu schließen?
Wieviele Ermittlungsverfahren bezüglich dieses Spiels wurden gegen Fußballanhänger eröffnet? Wieviele Anzeigen bzw. Ermittlungsverfahren wurden bislang gegen Polizeibeamte eingeleitet?
Inwieweit fand im Nachgang ein Austausch bzw. eine Auswertung zwischen offiziellen Vertretern beider Vereine über die Vorfälle am und im Stadion statt?
Wir werden uns natürlich weiterhin mit den Vorfällen in Magdeburg beschäftigen und versuchen, die offenen Fragen zu diesem Auswärtsspiel zu beantworten. Wir wünschen allen Dynamofans, die bei diesem Auswärtsspiel verletzt worden sind, gute Besserung und baldige Genesung.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe