Die Schwarz-Gelbe Hilfe beschäftigt sich seit ihrer Gründung mit den Rechten von Dynamofans gegenüber Gerichten und staatlichen Repressionsbehörden. Entsprechend viel Erfahrung haben wir mittlerweile mit Urteilen und Strafen, vor allem aber mit der behördlichen Ermittlungsarbeit bei Strafangelegenheiten gegenüber Fußballfans. Ein Punkt fällt dabei immer wieder auf: Die Gleichheit vor dem Gesetz ist nicht so vorhanden, wie sie sein sollte. Dazu eingangs ein aktuelles Beispiel aus dem Spiegel-Magazin was einmal, losgelöst vom Fußballkosmos, dieses Problemfeld beschreiben soll:
Ein Drogenfahnder der bayerischen Polizei wird bei einer Verkehrskontrolle angehalten und mit 1,49 Promille und augenscheinlichem Rauschmittelkonsum angetroffen. Etwa gleichzeitig wird seine Ehefrau in ein Krankenhaus gebracht, nachdem sie massiv geschlagen bzw. misshandelt worden war. Bis hierher sind die Vorwürfe unabhängig vom Beruf der Person schwerwiegend und gehören, sofern sie sich als wahr herausstellen, verurteilt. Interessant wird es aber erst bei den einsetzenden Ermittlungen bzw. bei der anstehenden Urteilsverkündung. Dieses soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Und das ist eine ungewöhnliche Entscheidung.
Die Autorin stellt in ihrem Bericht mehrere Nachfragen:
— Hat die Öffentlichkeit kein Recht darauf zu erfahren, wie es sein konnte, dass der Leiter des Rauschgiftdezernats eigenen Angaben zufolge seit 1994 “sporadisch”, von 2007 an regelmäßig, zeitweise gar täglich Kokain konsumierte?
— Geht es sie nichts an, wenn sich ein Hüter von Gesetz und Ordnung offenbar unbemerkt zusätzlich mit Alkohol und Schmerzmittel zudröhnt?
— Soll sie, also die Öffentlichkeit, nicht den Grund erfahren, warum diese Missstände innerhalb der Mauern einer vergleichsweise beschaulichen Polizeiinspektion wie Kempten so lange nicht aufflogen?
— Aber vor allem stellt sich die Frage, ob mit einem Bäcker, einem Bankangestellten oder Lehrer, hätten sie Rauschgift genommen und in solcher Menge besessen, ebenso rücksichtsvoll verfahren worden wäre, wie ausgerechnet mit einem Drogenfahnder?
— Oder genießt ein Polizist, dessen Ermittlungsergebnisse allzu oft schon die Weichenstellung für spätere Urteile sind, den die Richter also brauchen, eben doch eine Sonderbehandlung?
Im letzten Punkt betreten wir wieder den Mikrokosmos Fußball. Hier sind die Behandlung der Polizeibeamten und die Bevorzugung von Polizeiaussagen nicht nur offensichtlich, sie sind einfach unübersehbar. An dieser Stelle seien zwei Sätze eines Richters am Ingolstädter Amtsgericht aus dem Bericht der Rot-Schwarzen Hilfe zu zitieren, die ein Verfahren gegen einen Polizeibeamten begleiteten, welcher nachweislich eine Falschaussage gegenüber einem Fan tätigte: “Was jedoch viel schlimmer wiegt, ist, dass die Berichte der Beamten stimmen müssen, denn die Gerichte vertrauen den Polizisten fast blind. Hätte man hier kein Video, da hätten 20 Fans aussagen können, was sie wollen, man hätte dem einen Beamten geglaubt.”
Bei der Wahrheitsfindung beurteilen Richter anhand einfacher psychologischer Vernehmungsprinzipien. Es stehen sich Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen bzw. der Aussage des/der Beschuldigten gegenüber. Glaubwürdigkeit bezieht sich immer auf eine Person und ist daher ein Persönlichkeitsmerkmal. Dagegen ist Glaubhaftigkeit ein Aussagemerkmal und beruht auf dem Verhalten und den Schilderungen des Aussagenden vor Gericht. Dass Richter dabei Berufsständen wie eben Polizisten, Pfarrern oder ähnlich angesehenen Personen eine höhere Glaubwürdigkeit zuwenden, steht somit anhand des oben genannten Zitates außer Frage.
Auch die Arbeit der Schwarz-Gelben Hilfe zeigt immer wieder, dass Polizeibeamte nicht Gleiche unter Gleichen sind. Dazu gibt es zu viele interne Mechanismen und den Korpsgeist der Beamten untereinander, die vor einer effektiven Strafverfolgung schützen. Im Januar 2015 hatte dazu der Landtagsabgeordnete Enrico Stange (Die Linke) in einer “Kleinen Anfrage” im Sächsischen Landtag die Frage nach Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte gestellt. In der Antwort des sächsischen Innenministers und Bürgermeisterkandidat Dresdens, Markus Ulbig, geht folgende Statistik hervor:
Insgesamt 182 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt wurden im letzten Jahr gegenüber Polizisten geführt. In 18 Verfahren kam es zu einer Einstellung aufgrund erwiesener Unschuld des Beamten, bei insgesamt 81 Verfahren war die Tat allerdings nicht nachweisbar. Bisher sind noch 51 Verfahren anhängig, d.h., dass diese Verfahren noch in der Schwebe, also nicht beendet wurden. Ein Blick in die Jahre zuvor lässt aber erahnen wie diese Verfahren enden. Im Jahr 2013 wurden 144 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet, auch hier lässt sich ein Trend in Richtung Einstellung der Verfahren aufgrund nichtnachweisbarer Schuld (89 Verfahren) erkennen. Insgesamt wurde ein Polizeibeamter mit einem Strafbefehl belangt, vier weitere Verfahren endeten mit einer Einstellung des Verfahrens bei Erfüllung von Auflagen (§153a StPO), in den meisten Fällen sind dies Geldbeträge. Aus dem Jahr 2013 sind noch nur noch vier Verfahren bei Gericht anhängig. Im Jahr 2012 kam es bei 216 Verfahren zu keiner gerichtlichen Erledigung! Die letzte Freiheitsstrafe datiert aus dem Jahr 2010, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Auswertung anderer Vorwürfe, wie etwa der Strafvereitelung im Amt, Aussageerpressung oder Verletzung von Dienstgeheimnissen würde den Rahmen dieses Anliegen sprengen.
Doch wie lässt sich dieser Missstand zwischen dem anscheinenden polizeilichen Fehlverhalten und der juristischen Nacharbeitung erklären? Die Ursache liegt unserer Meinung nach nicht nur in der zu kritisierenden Nähe zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte, wie es der Berufsverband “Kritische Polizisten” anhand der geringen Quote gegenüber der LVZ mitteilte. In der Bundesrepublik Deutschland sucht man unabhängige Kontroll- und Ermittlungsgremien der Polizeiarbeit auf Bundes- sowie Landesebene vergebens. In einem Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg, fordert dieser schon im Juli 2007 eine Einrichtung unabhängiger Beschwerde- und Beobachtungsgremien, die außerhalb der Polizei- und Staatsstrukturen liegen sollen. Auch das UN-Antifolterkomitee monierte in ihrem Deutschlandbericht aus dem Jahre 2011, dass “… keine unabhängigen und wirksamen Ermittlungen bei Misshandlungsvorwürfen stattfinden!”
Ebenfalls gehört Deutschland zu den wenigen europäischen Ländern, die sich bis heute gegen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht gewehrt haben. Aufgrund der steigenden Kritik an den geschlossenen Polizeieinheiten, wie etwa der BePo oder der arg umstrittenen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, die bei Demonstrationen, Fußballspielen und ähnlichen Großveranstaltungen dazu übergegangen sind, vermummt aufzutreten, wurde in einigen Bundesländern eine individualisierte Kennzeichnungspflicht eingeführt. Im sächsischen Landtag scheiterte ein Gesetzesentwurf der Grünen im April 2011 und somit besteht in Sachsen auch weiterhin nur eine Ausweispflicht laut dem Polizeigesetz des Landes. Auch im neuen sächsischen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD findet ein ähnlicher Ansatz um das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen (also auch uns Fußballfans) in die polizeiliche Arbeit zu stärken, keine Beachtung.
Nicht zu vergessen ist hier allerdings auch die Rolle der polizeilichen Lobby aus “Deutscher Polizei Gewerkschaft” (DPolG) und der mit ihr konkurrierenden “Gewerkschaft der Polizei” (GdP). Beide Gewerkschaften scheuen sich angesichts der Forderungen nach Transparenz und unabhängiger Kontrollen nicht, von einer “pauschalen Kriminalisierung” der Polizei zu reden. Oftmals wird auch die Gefährdung von Leib und Leben oder der Privatsphäre der Beamten und ihrer Familien heraufbeschworen. Diese würden sich einer drohenden Gefahr aufgrund der Kennzeichnung ausgesetzt fühlen. Doch hierfür gibt es allerdings keine Belege, weder deutschlandweit noch international.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich nach und nach immer mehr Fanhilfen in Deutschland gründen, um sich gegen die Ungerechtigkeiten der Polizei & Justiz beim Fußball, aber auch in der Gesellschaft im Ganzen zur Wehr zu setzen. Denn frei nach Oscar Wilde gibt es zwei Klassen von Menschen: “… die Gerechten und Ungerechten. Die Einteilung wird von den Gerechten vorgenommen!”
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