Das Auswärtsspiel der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden beim Hamburger Sportverein am 11. Februar 2019 hatte für einen Fan der SGD ein langwieriges und vor allem völlig überzogenes Verfahren zur Folge. Aufgrund einer schwenkenden Fahne fühlte sich ein eingesetzter Beamter dermaßen bedroht, dass er gegen den Fan ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung einleitete. Diese Verfahren konnte nun am Hamburger Landgericht gegen eine Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt werden.
Nach fast 15-jähriger Pause betrat an diesem Abend der dynamische Kreisel wieder die Bühne des Hamburger Volksparkstadions. Mit dabei gut 8.000 Schlachtenbummler der SGD, wobei sich einige aufgrund der Stimmung und des Spektakels auf den Rängen des Gästeblock im Europapokal wähnten. Doch auch die Polizei fantasierte im Vorfeld der Partie eine Hooliganinvasion aus dem Dynamoland herbei und so wurden neben knapp 1.800 Polizeikräfte auch allerlei Gerätschaften wie Wasserwerfer, Hubschrauber und Räumpanzer zum Einsatz gebracht. Doch die befürchteten bürgerkriegsähnlichen Szenen blieben erwartungsgemäß aus.
Zum Einlaufen der Mannschaften präsentierte man im Bereich des Gästeblock hunderte von schwarz-gelben Stofffahnen, wenige Minuten später durfte der Hamburger Anhang die wohl größte Pyroshow in ihrem Stadion bewundern. Genau in diesem Moment kommt es wohl für einen Dynamofan, der an einer Brüstung oberhalb eines Mundloch stand und mehrfach mit der Stoffwicklung seiner Fahne zu kämpfen hatte, zu einer unbemerkten, aber folgenschweren Begegnung. Ein Einsatzhundertschaft der Polizei verlässt den Oberrang des Stadion genau durch diesen Bereich. Nachdem Spiel folgte für den Betroffenen eine Identifikationsfeststellung — der Vorwurf lautete: versuchte gefährliche Körperverletzung.
Im späteren Strafbefehl heißt es dazu “… in dem Sie gegen 20:40 Uhr im Bereich der Westtribüne des Volksparkstadions […] von einem Zuschauerrang aus, mit Verletzungsabsicht Ihre Fahne in Richtung des im Dienst befindlichen Polizeibeamten schwenkten und dieser nur zufällig nicht von der Fahnenstange getroffen wurde. Diese verfehlte nur um 30cm den Kopf des Zeugen.” — Er soll 90 Tagessätze á 20,00€ bezahlen — 1.800€.
Er wendet sich an die Schwarz-Gelbe Hilfe und bekommt einen Rechtsbeistand vermittelt. Es wird Einspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Der fast geschädigte Polizeibeamte ist der Einzige, der dieses Verhalten mitbekommen haben soll. Am Amtsgericht Hamburg-Altona folgte noch im Dezember 2019 die Verhandlung.
Der Betroffene erklärt, dass es sich hier wohl nur um ein Missverständnis handeln müsse. Weder hätte er die Absicht gehabt, noch das Ziel jemanden mit seiner Fahne zu verletzen. Er erklärte mit Hilfe seiner Anwältin, dass er höchstens die Fahne zum Pausieren in den Bereich des Mundlochs gehalten hätte oder um den von Stoff umwickelten Fahnenstock zu entwirren. Maße der Fahne und des Mundlochs werden vorgetragen und die Frage in den Raum geworfen, ob die Relation Fahne — Mundloch — Polizistenkopf überhaupt stimmen könne. Doch die Amtsrichterin schenkt nur der Aussage des Polizisten Beachtung. Einen Zeugen, der die Aussage des Dynamofans bestätigen kann, wird vorgeworfen sich vorher abgesprochen zu haben. Das Wort “Mundloch” hätte sie vorher noch nie gehört. Aufgrund der Uneinsichtigkeit des Angeklagten erhöht sie die Strafe um 30 Tagessätze auf 2400,00€.
Es wird Berufung gegen dieses Urteil eingelegt und Anfang Juni folgt die Berufungsverhandlung am Landgericht Hamburg. Erneut gibt der angeklagte Dynamofans seine Einlassung über ein mögliches Missverständnis ab, erneut wird über Maße des Ein-/Ausgangsbereich des Volksparkstadion verhandelt, auch findet eine solche Choreofahne den Weg in den Gerichtssaal. Handyfotos und Bilder aus dem Internet werden studiert. Der Polizist bestätigt seine Aussage vom Amtsgericht erneut, doch bei der vorsitzenden Richterin und den beiden Schöffen kommen Zweifel auf, dass es sich hier nicht doch um ein Missverständnis und somit um eine Tat ohne Vorsatz handeln würde. Nach zähen Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft, die nochmal die These des permanenten Gewalttäters Fußballfan in den Raum wirft und dass man in Hamburg Angriffe gegen Polizeibeamte nicht dulden dürfe, kommt man zu dem Schluss, das Verfahren gegen den betroffenen Dynamofan mit einer geringen Geldauflage nach § 153a StPO einzustellen.
Dem Dynamofan entfielen somit die Gerichtskosten — bei der Begleichung der Anwaltskosten unterstütze der Schwarz-Gelbe Hilfe e.V. den Betroffenen.
Insgesamt kann man mit dem Ausgang dieses Verfahrens zufrieden sein, aber es zeigt erneut, dass die Aussage eine Polizeibeamten einen deutlich höheren Stellenwert vor Gericht haben und diese Behauptungen schwer zu widerlegen sind.
Schwarz-Gelb wehen unsere Fahnen, wie sie noch keiner gesehen hat.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe