Trotz zahlreicher schwerer Verletzungen und sogar Todesfällen werden Gummigeschosse bis heute in vielen Staaten (darunter auch Demokratien wie die USA, Spanien, die Schweiz oder Frankreich) als Mittel zur Kontrolle von Menschenmengen eingesetzt. Wenn es nach der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gehen soll, müssen Polizisten endlich wieder auf Demonstranten und Fußballfans schießen können. Dabei ist der jüngste tödliche Vorfall erst wenige Tage alt.
Bei einem viertklassigen Fußballspiel in Südpolen zwischen Concordia Knurow und Ruch Radzionkow kam es letzten Samstag zu Auseinandersetzungen beider rivalisierender Fangruppen. Nachdem einige Concordia-Fans den Rasen stürmten, setzten die herbeieilenden Polizisten, wie in Polen üblich, Gummigeschosse gegen die randalierenden Fußballanhänger ein. Der Concordia-Anhänger Dawid Dziedzic wurde dabei im Nacken getroffen, wenig später verstarb dieser im örtlichen Krankenhaus.
Auch im spanischen Bilbao verstarb im April 2012 der 28-jährige Atletico-Fan Iñigo Cabacas an seinen schweren Kopfverletzungen. Wie Augenzeugen berichteten, war der Athletico-Anhänger nach dem Europapokalerfolg gegen Schalke 04 von einem Polizisten mit einer Gummipatrone am Kopf getroffen worden. Bei der Obduktion stellten Ärzte schwerste Hirnverletzungen und einen Schädelbruch bei Cabacas fest und bestätigten das diese durch ein Gummigeschoss, abgefeuert durch einen Polizisten, verursacht wurde. Während zu der Zeit ein Platzsturm in Düsseldorf mit insgesamt null Verletzten die Schlagzeilen tagelang dominierte, war der Tod des Fußballfans den deutschen Medien kaum eine Zeile wert.
Doch was sind Gummigeschosse eigentlich?
Gummigeschosse sind eine Art spezielle Munition, die mithilfe einer Pistole oder eines Gewehres abgefeuert werden können. In den meisten Fällen bestehen diese aus Gummi oder anderen Kunststoffen. Ein solches Geschoss wird offiziell als “Nicht-tödliche Waffe” bezeichnet, aber von einigen Herstellern als “Waffe mit abgemilderter Tödlichkeit” angepriesen. In den meisten Ländern kommt diese Waffe in Verbindung mit Wasserwerfern und Pfefferspray/Tränengas zum Einsatz. Gewaltbereite Menschen durch Gummigeschosse handlungs- oder sogar kampfunfähig zu machen klingt vorerst nach einem alternativen Mittel, wenn es darum geht, Menschen möglichst auf Distanz zu halten. Tatsächlich handelt es sich um eine weitaus massivere Waffe. Gummigeschosse können Menschen töten. Ein Treffer der Luftröhre kann diese zerquetschen oder unter Umständen auch die Wirbelsäule brechen. Ein Aufprall des Geschosses im Auge kann dieses schwer verletzten oder auch zum Verlust des Augenlichts führen.
Die Wiege dieser Art von polizeilicher Einsatztaktik steht im engen Zusammenhang mit den gewaltsamen Konflikten in Nordirland. Dort werden seitens der britischen Polizei seit 1968 Gummigeschossen gegen Demonstranten und Sympathisanten der IRA eingesetzt. Zwischen 1970 und 2005 kamen allein in diesem Land mit dem Einsatz einer solcher Munition mindestens 17 Menschen ums Leben. Nach dem es zu Beginn schwerste Kopfverletzungen bei Demonstrationen gab, galt bald der Einsatzbefehl auf Knie- und Beinhöhe zu schießen, was zur Folge hatte, dass im Laufe der Zeit Jugendliche verletzt und sieben Kinder gar getötet wurden.
Auch in der Schweiz steht das sogenannte Gummischrott wieder stark in der Kritik, nachdem im September 2013 eine Neunjährige 80% ihrer Sehkraft infolge eines solchen Polizeieinsatzes verlor. Das Kind, welches sich während der Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten in Winterthur hinter einem Auto verstecken wollte, wurde von einem Querschläger getroffen.Nicht nur die Schweizer “Vereinigung unabhängiger Ärztinnen und Ärzte” fordern deshalb ein landesweites Verbot.
In Deutschland wird speziell nach gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Fußballspielen oder Demonstrationen der Ball über die Einführung solcher polizeilichen Mittel immer wieder durch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und aus Teilen der Christlich-Demokratischen Union (CDU) ins Spiel gebracht.
Eine große Rolle spielt dabei erneut der Vorsitzende der DPolG und CDU-Mitglied Rainer Wendt. Er betont dabei stets, in welcher Gefahr sich die Beamten tagtäglich befinden und begründet damit u.a. seine Forderung nach der Einführung von Gummigeschossen. Ende 2008 äußerte er sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung das ihm Einsätze von Gummigeschossen bzw. ‑schrott mit tödlichem Ausgang nicht bekannt seien. In vielen Ländern würden diese Waffen erfolgreich erprobt. Auch im Juni 2012 untermauerte Wendt seine Forderungen erneut: “Wenn Wasserwerfer nicht mehr reichen, muss die Polizei als Antwort auf die Steine, Brandsätze und Stahlkugeln der Demonstranten Gummigeschosse einsetzen”.
Sein Kollege und baden-württembergischer Landeschef der DPolG, Joachim Lautensack, ging Anfang 2013 sogar noch einen Schritt weiter und stoß eine Diskussion über „ […] den Einsatz von Gummigeschossen und Elektroschockwaffen“ an.
Dahin gehend distanzierte sich der ehemalige Vorsitzende der konkurrierenden “Gewerkschaft der Polizei” (GdP) Frank Richter schon im Sommer 2012 entschieden von den Forderungen der “Wendt´schen DPolG”: „Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt. Das ist in einer Demokratie nicht hinnehmbar. […] Unser Rechtsstaat muss wehrhaft sein, aber die Polizei darf dabei nicht bewusst den Tod von Menschen im Kauf nehmen“, sagte Richter. Er äußerte ergänzend das man doch in Deutschland lebe und nicht in einem Bürgerkrieg. Man solle ihn doch nicht noch beschwören.
Was bleibt sind allerdings unzählige, für das Leben gezeichnete oder gar tote Menschen. Staaten, weltweit, die immernoch an den militärähnlichen Einsätzen der Polizei festhalten. Populistische Politiker und Funktionäre in Deutschland , die ohne Scham solche Forderungen anheizen. Die Folgen einer Einführung sind für uns, als Schwarz-Gelbe Hilfe, klar abzusehen. Eine solche Polizei ist eine Gefahr, nicht nur für Leib und Leben, sondern auch auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Fan- und Bürgerrechte im Allgemeinen.
Bildquelle: Ultras Tifo