Kri­tik an geplan­ter Öffentlichkeitsfahndung

23 Jun 2021 | Allgemein

Am mor­gi­gen Don­ners­tag will die Poli­zei laut einem Bericht einer über­re­gio­na­len Bou­le­vard­zei­tung https://m.bild.de/regional/dresden/dresden-aktuell/dresden-polizei-sucht-oeffentlich-nach-dynamo-chaoten-76856162.html nach 20 ver­meint­li­chen Rädels­füh­rern der Aus­ein­an­der­set­zun­gen rund um das Auf­stiegs­spiel der SG Dynamo Dres­den gegen Türk­gücü Mün­chen am 16. Mai 2021 öffent­lich fahnden. 

Wir, der Schwarz-Gelbe Hilfe e.V., kri­ti­sie­ren diese Vor­ge­hens­weise auf das Schärfste. Nach unse­rer Beur­tei­lung ste­hen bei der Anord­nung der Öffent­lich­keits­fahn­dung und sicher­lich auch bei der Art und Weise der Durch­füh­rung die­ser Ermitt­lungs­maß­nahme, tief­grei­fen­de straf­pro­zes­sua­le und verfassungs- sowie euro­pa­recht­li­che Beden­ken entgegen.

Unsere Kri­tik umfasst zwei Aspekte: Zum einen die Anord­nung der Maß­nahme an sich. Dabei ist vor allem die für die Öffent­lich­keits­fahn­dung ver­ant­wort­li­che Behörde gemeint.
Die recht­li­che Grund­lage einer sol­chen Öffent­lich­keits­fahn­dung fin­det sich in § 131b der Straf­pro­zess­ord­nung. Die­ser Para­graf beinhal­tet, dass es für solch eine Maß­nahme grund­sätz­lich des Vor­wur­fes einer bestimm­ten Straf­tat von erheb­li­cher Bedeu­tung bedarf. Es ist jedoch fest­zu­stel­len, dass sämt­li­che bis­her auf­ge­zähl­ten Vor­würfe, (ver­suchte) gefähr­li­che Kör­per­ver­let­zung und (schwe­ren) Land­frie­dens­bru­ches nach § 125 Straf­ge­setz­buch unter die Gruppe der „Ver­ge­hen“ fal­len d.h., dass sie nicht das Kri­te­rium der „erheb­li­chen Bedeu­tung“ erfül­len und eine Öffent­lich­keits­fahn­dung für diese Delikte daher grund­sätz­lich aus­schei­den sollte.

Die zweite Ebene unse­rer Kri­tik fußt auf dem zeit­li­chen Fak­tor die­ser poli­zei­li­chen Maß­nahme. Unmit­tel­bar nach den Gescheh­nis­sen am 16.05.2021 wurde eine 42-köpfige Son­der­kom­mis­sion “Haupt­al­lee” durch die Säch­si­sche Poli­zei gebil­det. Nach knapp fünf Wochen Ermitt­lungs­ar­beit wer­den nun 20 Per­so­nen an den öffent­li­chen Pran­ger gestellt, gesell­schaft­lich vor­ver­ur­teilt und das, obwohl sicher­lich andere, für etwa­ige Betrof­fene, Ermitt­lungs­me­tho­den nicht kom­plett aus­ge­reizt oder über­haupt in Erwä­gung gezo­gen wur­den. Eine Öffent­lich­keits­fahn­dung sollte aus unsere Sicht das letzt­mög­li­che Mit­tel poli­zei­li­cher Arbeit sein.

Über eine gerechte Strafe für die Beschul­dig­ten sollte am Ende immer ein Gericht, nach einem fai­ren rechts­staat­li­chen Ver­fah­ren ent­schei­den — für die öffent­li­che Vor­ver­ur­tei­lung und einer gesell­schaft­li­chen Bestra­fung sorgt nun lei­der die Polizei.

Schwarz-Gelbe Hilfe

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