Neues Säch­si­sches Poli­zei­ge­setz – bereits jetzt teil­weise verfassungswidrig?

18 Feb 2019 | Allgemein, Blick über den Tellerrand, Repression

Noch die­ses Jahr soll das neue Säch­si­sche Poli­zei­ge­setz (SächsPVDG und SächsPBG) ver­ab­schie­det wer­den und das bis­her gül­tige Gesetz (Sächs­PolG) ablö­sen. In eini­gen Bun­des­län­dern sind bereits neue Poli­zei­ge­setze in Kraft getre­ten – das wohl umstrit­tenste in Bay­ern. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat nun mit Beschluss vom 18.12.2018 fest­ge­stellt, dass das Baye­ri­sche Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz (Bay­PAG) teil­weise ver­fas­sungs­wid­rig ist.

Hier­bei geht es kon­kret um die soge­nannte „Auto­ma­ti­sierte Kenn­zei­chen­er­ken­nung“. Auf bestimm­ten Stre­cken wird eine Anlage instal­liert, die Kenn­zei­chen vor­bei­fah­ren­der Fahr­zeuge mit Ort, Datum und Uhr­zeit erfasst. Diese Daten wer­den mit Fahn­dungs­da­teien abge­gli­chen. Gibt es keine Über­ein­stim­mung, wer­den die Daten sofort gelöscht. Bei einer Über­ein­stim­mung wer­den die Daten gespei­chert und wei­tere poli­zei­li­che Maß­nah­men ein­ge­lei­tet. Auch in Sach­sen wer­den bereits auf diese Weise Kenn­zei­chen erfasst und mit Fahn­dungs­da­teien abge­gli­chen. Bis­her gibt es aller­dings nur mobile Anla­gen, d.h. sie wer­den auf­ge­baut und nach einer bestim­men Zeit (meist nach ein paar Stun­den) wie­der abge­baut. Zukünf­tig sol­len diese Sys­teme auch sta­tio­när an ver­schie­de­nen Kon­troll­punk­ten inner­halb eines 30 Kilo­me­ter­ra­dius rund um die Gren­zen zu Polen und der Tsche­chi­schen Repu­blik ein­ge­setzt werden.
In Bay­ern ist diese ähn­li­che Vor­schrift nun für teil­weise ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wur­den. Grund­sätz­lich kön­nen die Bun­des­län­der Vor­schrif­ten zur Gefah­ren­ab­wehr erlas­sen. Jedoch sind laut Bay­PAG auch Kenn­zei­chen­kon­trol­len zur Ver­hü­tung oder Unter­bin­dung der uner­laub­ten Über­schrei­tung der Lan­des­grenze erlaubt. Dies ist aller­dings eine Frage des Grenz­schut­zes und dafür hat allein der Bund die Gesetzgebungskompetenz.
Wei­ter­hin ist die Vor­schrift auch unver­hält­nis­mä­ßig, denn Kenn­zei­chen­kon­trol­len bedür­fen eines gewich­ti­gen Anlas­ses, d.h. die Kon­trol­len müs­sen auf den Schutz von Rechts­gü­tern von zumin­dest erheb­li­chem Gewicht beschränkt wer­den. Dies ist im Bay­PAG, aber auch im Ent­wurf des neuen SächsPVDG, nicht der Fall. Zum Ver­gleich: Im bis­her gül­ti­gen Sächs­PolG ist von einer „Gefahr für Leben, Gesund­heit oder Frei­heit einer Per­son, den Bestand oder die Sicher­heit des Bun­des oder eines Lan­des oder für bedeu­tende Sach- und Ver­mö­gens­werte“ die Rede. Nach dem neuen SächsPVDG genügt bereits die „Abwehr einer erheb­li­chen Gefahr“. Was eine erheb­li­che Gefahr ist, wird aller­dings nicht wei­ter konkretisiert.
Auch die Rege­lun­gen im hes­si­schen und baden-württembergischen Poli­zei­ge­setz sind in die­ser Hin­sicht teil­weise ver­fas­sungs­wid­rig. In bei­den Län­dern wer­den Kenn­zei­chen­kon­trol­len nicht umfas­send auf den Schutz von Rechts­gü­tern von erheb­li­chem Gewicht begrenzt. Dies ent­schied das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt eben­falls am 18.12.2018.
Ob die­ser Teil in Sach­sen bestehen bleibt und wie die Rege­lung künf­tig in Sach­sen aus­se­hen wird, bleibt also abzuwarten.
Aller­dings wur­den nun wei­tere Ände­run­gen in die Reform­pläne rund um die Erneue­rung des Säch­si­schen Poli­zei­ge­setz ein­ge­ar­bei­tet. Nach einem lan­gen Rin­gen zwi­schen den Koali­ti­ons­part­nern CDU & SPD gab es einen Kom­pro­miss: Poli­zei­be­amte in Sach­sen bekom­men nun doch Body­cams und dafür zieht die Beschwer­de­stelle vom Säch­si­schen Innen­mi­nis­te­rium (SMI) in die Staatskanzlei.
Wir, als Schwarz-Gelbe Hilfe e.V., ste­hen einer Ein­füh­rung von sol­chen Instru­men­ten kri­tisch gegen­über. Body­cams fil­men nicht ohne Anlass, son­dern nur in Situa­tio­nen, in denen ohne­hin ein mensch­li­cher Poli­zist hin­schaut. Wenn spä­ter vor Gericht Aus­sage gegen Aus­sage steht, dann schafft diese Nah­auf­nahme zwar eine Grund­lage für eine for­mell unab­hän­gige Klä­rung. Doch bei genaue­rem Betrach­ten sind diese Auf­nah­men eben­falls nicht unab­hän­gig. Diese Kamera zeich­net zwar dau­ernd auf, aber erst wenn der Poli­zist auf einen Knopf drückt, beginnt sie, die Auf­nahme zu spei­chern, ange­fan­gen mit einer zurück­lie­gen­den Auf­nahme, je nach Zeit­ein­stel­lung (Bspw. 30 Sekun­den). Die rest­li­chen Sequen­zen wer­den lau­fend gelöscht. Es ent­schei­det also der Poli­zist über den Inhalt des Beweis­mit­tels. Etwa­iges Fehl­ver­hal­ten durch poli­zei­li­ches Han­deln wird auch hier wei­ter­hin im Ver­bor­ge­nen bleiben.
Die absurde Ver­la­ge­rung der zahn­lo­sen Beschwer­de­stelle vom Sächi­schen Innen­mi­nis­te­rium an die Staats­kanz­lei ist für uns keine wei­tere Wür­di­gung wert, denn diese bleibt wei­ter­hin im Ein­fluss­be­reich der jewei­li­gen Staatsregierung.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe

Bild: Quelle

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