Säch­si­sches Innen­mi­nis­te­rium bestä­tigt Daten­bank für Dynamofans

27 Jun 2015 | Allgemein, Blick über den Tellerrand

Nach­dem in den letz­ten Jah­ren bekannt wurde, dass Lan­des­kri­mi­nal­äm­ter (LKA) und soge­nannte sze­ne­kun­dige Beamte (SKB) Fuß­ball­da­teien in Baden-Württemberg, Nie­der­sach­sen und Ber­lin, par­al­lel zu der schon vor­han­de­nen bun­des­wei­ten ZIS-Datenbank führ­ten, stellte Ende Mai die Land­tags­ab­ge­ord­nete der Frak­tion “DIE LINKE” Juliane Nagel eine Kleine Anfrage über die Exis­tens einer sol­chen Daten­bank in Sach­sen.
Das säch­si­sche Innen­mi­nis­te­rium (SMI) bestä­tigte zwar das eine sol­che Datei für Fuß­ball­fans im Sinne der Fra­ge­stel­lung nicht exis­tiere, man aber bestehende Auskunfts- und Daten­ab­fra­ge­ver­fah­ren der säch­si­schen Poli­zei und Lan­des­kri­mi­nal­äm­ter im Phä­no­men­be­reich Gewalt und Sport nutze. Hierzu ver­an­las­sen poli­zei­li­che Behör­den u.a. die Ein­tra­gung des Ver­merks “GESP” (Gewalt­tä­ter Sport) aus der bun­des­wei­ten Datei der Zen­trale Infor­ma­ti­ons­stelle Sport­ein­sätze (ZIS) in die soge­nann­ten PASS- und IVO-Systeme.

Das PASS-System (“Poli­zei­li­ches Aus­kunfts­sys­tem Sach­sen”) ist eine Art Ver­bund­sys­tem zwi­schen dem Lan­des­kri­mi­nal­amt Sach­sen und den Poli­zei­be­hör­den des Frei­staa­tes. Diese Art der Aus­kunfts­er­su­chung stufte schon der Daten­schutz­be­auf­tragte Sach­sens in sei­nem 14.Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2009 als kri­tisch ein. Eine sol­che Zusam­men­ar­beit sei im säch­si­schen Poli­zei­ge­setz gar nicht vor­ge­se­hen. Ein ent­spre­chen­der Hin­weis an die dama­lige Regie­rung wurde vom säch­si­schen Innen­mi­nis­te­rium ein­fach ignoriert.
Das zweite Sys­tem heißt “Inte­grier­tes Vor­gangs­be­ar­bei­tungs­sys­tem” (IVO). Dies ist das zen­trale Ver­fah­ren der Erfas­sung, Spei­che­rung, Wei­ter­ver­ar­bei­tung und Aus­wer­tung poli­zei­lich rele­van­ter Daten im Frei­staat Sach­sen. Es dient dem voll­stän­di­gen Nach­weis voll­zugs­po­li­zei­li­chen Han­delns, unter­stützt und ver­ein­heit­licht die poli­zei­li­che Vor­gangs­be­ar­bei­tung und die Steue­rung poli­zei­li­cher Ermitt­lungs­vor­gänge auf Lan­des­ebene. Über Schnitt­stel­len fin­den dabei regel­mä­ßig Daten­über­mitt­lun­gen unter ande­rem zum “Poli­zei­li­chen Aus­kunfts­sys­tem Sach­sen” (PASS) sowie das “Infor­ma­ti­ons­sys­tem der Poli­zei des Bun­des und der Län­der” (INPOL) statt.
Laut SMI nut­zen die Poli­zei­di­rek­tio­nen Dres­den, Zwi­ckau und Leip­zig ein wei­te­res “ermitt­lungs­un­ter­stüt­zen­des Sys­tem” (eFAS), wel­ches der soge­nann­ten ope­ra­ti­ven Fall­ana­lyse dient. Dies ver­ei­nigt fall­ana­ly­ti­sche Metho­den (Bsp. Täter­pro­fi­ler­stel­lung) mit den com­pu­ter­ge­stütz­ten Werk­zeu­gen der polizeilich-angelegten Daten­ban­ken. Der Ein­satz die­ses Sys­tems machte vor allem im Jahr 2009 nega­tive Schlag­zei­len, da dank die­ser Soft­ware durch die Poli­zei Sach­sen Zehn­tau­sende Mobil­funk­da­ten und auch Tau­sende Kun­den­da­ten der Baumarkt-Kette OBI gespei­chert und aus­ge­wer­tet wur­den. Bei säch­si­schen Lan­des­po­li­ti­kern rief die ange­wandte Ermitt­lungs­pra­xis Empö­rung her­vor. “Die Samm­lung solch umfang­rei­cher Daten deute auf eine sys­te­ma­ti­sche Über­wa­chung der Bür­ger durch die Poli­zei des Lan­des Sach­sen hin”, erklärte die dama­lige innen­po­li­ti­sche Spre­che­rin der säch­si­schen SPD-Landtagsfraktion Sabine Friedel.

Bri­sanz birgt aller­dings der letzte Satz des säch­si­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums auf die Frage der Exis­tenz einer säch­si­schen Daten­bank für Fuß­ball­fans. In die­sem heißt es, dass die Poli­zei­di­rek­tion Dres­den ein Ver­fah­ren namens “Gewalt­tä­tig­kei­ten, sons­tige Straf­ta­ten sowie bedeu­tende Ord­nungs­wid­rig­kei­ten im Zusam­men­hang mit Sport­ver­an­stal­tun­gen und Großveranstaltungen”
Die­ses Ver­fah­ren wurde schon seit 2005 ange­wandt. Laut SMI wer­den in die­ser Datei Tat­ver­däch­tige, Beschul­digte, Betrof­fene oder Ver­ant­wort­li­che nach einer Ein­zel­be­wer­tung der sze­ne­kun­di­gen Beam­ten geführt. Aktu­ell beläuft sich die Anzahl der gespei­cher­ten Per­so­nen auf 769, die aus­schließ­lich der Fan­szene der SG Dynamo Dres­den zuzu­ord­nen sind. Gestützt wird die­ses Ver­fah­ren durch das säch­si­sche Poli­zei­ge­setz und Daten­schutz­ge­setz sowie der Strafprozessordnung.
Nach Ant­wort des SMI erfolgte die letzte Ein­tra­gung im Januar 2014 und soll in abseh­ba­rer Zeit aus dem Betrieb genom­men werden.

Wir, die Schwarz-Gelbe Hilfe e.V., sehen diese Art der Spei­che­rung der Daten von Fuß­ball­fans sehr kri­tisch. Nicht nur Men­schen, die sicher­heits­re­le­vant im Zusam­men­hang mit Sport­ver­an­stal­tun­gen in Erschei­nung getre­ten sind, also ver­ant­wort­li­che und betrof­fene Per­so­nen wer­den in die­ser Datei gespei­chert, son­dern auch ein tat­ver­däch­ti­ger bzw. beschul­dig­ter Per­so­nen­kreis. Es ist für das Spei­chern inner­halb die­ser Datei also völ­lig irrele­vant, ob die gespei­cher­ten Fuß­ball­fans juris­tisch bzw. straf­recht­lich für ihre Hand­lun­gen belangt wur­den oder am Ende frei von jeg­li­cher Schuld waren. Wol­len die soge­nann­ten sze­ne­kun­di­gen Beam­ten die Daten einer Per­son dau­er­haft spei­chern, so ist es für sie ein Leich­tes, einen Grund zu fin­den, da schein­bar soge­nannte Anfangs­ver­däch­ti­gun­gen und Eröff­nung von Straf­ver­fah­ren ausreichen.

Wei­ter­hin bestehen für uns offene Fra­gen zu die­ser Datei:

- Wie ist das Ver­hält­nis zwi­schen Betrof­fe­nen, Ver­ant­wort­li­chen und der Per­so­nen­gruppe der Tat­ver­däch­ti­gen und Beschuldigten?
— Wel­che Art von Ord­nungs­wid­rig­kei­ten waren/sind für die Poli­zei­di­rek­tion Dres­den bedeu­tend für Sport- und Großveranstaltungen?
— Wel­che Daten wur­den in die­ser Datei gespei­chert? Wur­den neben den Per­so­na­lien auch pri­vate Details wie Arbeit­ge­ber, Ange­hö­rige oder Spitz­na­men gespeichert?
— Wur­den etwa­ige Daten­sätze an die Ver­bund­da­tei “Gewalt­tä­ter Sport” wei­ter­ge­lei­tet?
— Was steht in den Ein­zel­be­wer­tun­gen der SKB´s?
— Was pas­siert mit den Daten­sät­zen nach der Außer­be­trieb­nahme der Datei?

Wir wer­den Euch wei­ter­hin auf dem Lau­fen­den zu die­ser Pro­ble­ma­tik und etwa­igen Vor­ge­hens­wei­sen der Daten­ab­frage aus die­ser Datei halten.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe — Redet mit uns, nicht mit der Polizei!

Titel­bild: Quelle

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