Wie bereits im letzten Text “Sommer, Sonne, Strafprozessordnung” angekündigt, wollen wir Euch mit diesem Text über die Verschärfung des Widerstandsparagrafen, welcher in der repressiven Strafverfolgung von Fußballfans eine zentrale Rolle spielt, informieren.
Durch den Bundestagsbeschluss vom 27.04.2017, wo neben anderen Gesetzesverschärfungen auch die Erweiterung der Straf- und Sanktionsmöglichkeiten von Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte, §§ 113 ff. StGB, beschlossen wurde, traten die Änderungen bereits zum Ende Mai 2017 in Kraft.
Die konkreten Änderungen
Die Gesetzesänderung regelt im wesentlichen vier Aspekte neu:
Der bisherige § 114 StGB wird in den § 115 StGB umgewandelt und umfasst nun auch sogenannte „tätliche Angriffe“ gegen Personen die Vollzugsbeamten gleichstehen, wie z.B. Rettungssanitäter oder Kräfte der Feuerwehr. Zuvor waren lediglich Widerstandshandlungen unter Strafe gestellt. Relevant für das tägliche Leben und die Praxis rund um Fußballspiele sind hierbei aber die weiteren drei Aspekte der Gesetztesänderung. Der bisherige § 113 des Strafgesetzbuches wird nun aufgeteilt in einen schon bestehenden § 113, welcher weiterhin Widerstandshandlungen umfasst, und in § 114 StGB, welcher sogenannte „tätliche Angriffe“ verfolgen soll. Das Strafmaß für die Widerstandshandlung bleibt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe gleich.
Der neu formulierte § 114 StGB beinhaltet den „tätlichen Angriff“ gegen Vollzugsbeamte des Staates als eigenen Straftatbestand. Anwendung findet dieser aber nicht nur bei Vollzugshandlungen, sondern bei jeder beliebigen Diensthandlung und wird im Sinne des § 114 als jede aktive Handlung gegen den Körper einer Polizeikraft definiert.
Dieser greift zum Beispiel, wenn jemand sich aus einem Polizeigriff zu lösen versucht oder den greifenden Arm bei einer versuchten Ingewahrsamnahme wegschlägt. Das Mindeststrafmaß des neu geschaffenen § 114 beträgt drei Monate Freiheitsstrafe. Einem vorsitzenden Richter wurde anhand des Gesetzes keine Möglichkeit zur Milderung vorgesehen, also Gerichte werden auch dazu verpflichtet, dieses Strafmaß tatsächlich zu verhängen. Eine Verschärfung des § 114 auf ein Mindeststrafmaß von 6 Monaten Freiheitsstrafe soll laut Aussagen diverser innenpolitischer Sprecher der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD folgen. Zum Vergleich: Ein Mindeststrafmaß von 6 Monaten findet sich im Gesetz sonst nur bei Straftaten, wie schwerer Körperverletzung und Zwangsprostitution, jedoch nicht einmal bei einer vollendeten einfachen Körperverletzung.
Der letzte Aspekt des Paragrafen richtet sich auf den zweiten Absatz. In diesem Absatz sind Fälle besonders hervorzuheben, bei dem das bloße Mitführen einer Waffe oder eines gefährlichen Gegenstandes, als besonders schwere Widerstandshandlung oder besonders schwerem tätlichen Angriff, völlig unabhängig von einer etwaigen Absicht auf deren Verwendung, erfasst wird. Dabei wird aber nicht nur das eigene Mitführen unter Strafe gestellt, sondern auch, wenn Begleiter einen einschlägigen Gegenstand bei sich tragen.
Doch was hat das mit Fußball zu tun?
In Hinblick auf die Rechtssprechung, wann ein Gegenstand zum Zweck eines gefährliches Werkzeug gegen den menschlichen Körper wird, sehen wir, als Schwarz-Gelbe Hilfe, eindeutigen Regelungsbedarf des Gesetzes in Bezug auf Großveranstaltungen wie etwa Fußballspiele. Laut Gesetzgebung dient nämlich ein Gegenstand als Waffe, wenn er objektiv nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner konkreten Verwendung geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen herbeizuführen, so z.B. Glasflaschen, Holz- und PVC-Stangen aber auch Nagelfeilen.
Zieht man den Gesetzestext zum §114 hinzu, ist auch der Versuch strafbar. Der Besuch eines Auswärtsspiels, bei dem man als Gästefan nahezu ständig von begleitenden Polizeibeamten umgeben ist, wird zu einer Gratwanderung zwischen Freiheit und Gefängnis.
Hintergründe der Gesetzesänderung
Unter den sieben Sachverständigen im Rechtsausschuss des Bundestages waren zur Anhörung, drei Polizisten, Angehörige der Berufsgruppe über die entschieden wurde , welche laut Gewerkschaft der Polizei nun „seit acht Jahren um diese Norm kämpften“.
Als Anlass für die Verschärfung des Gesetzes wurde ein permanenter Anstieg von Widerstandshandlungen und angeblichen tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte herangezogen. Woher diese Annahme kommt, ist völlig unklar und unterliegt keiner statistischen Überprüfung. Es gibt de facto keine eigene Zählung von tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte. Die Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte gingen im Laufe der Jahre sogar zurück.
Die hier angeführte Zahl von Angriffen auf Polizeibeamte sind nicht etwa strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder gar eine rechtskräftige Verurteilung unter dem Vorwurf des § 113 StGB, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, oder §§ 224 ff. StGB, Körperverletzung, relevant, sondern allein das subjektive „Opfergefühl“ der angeblich betroffenen Polizeibeamten. Das heißt, bei der Zählung sogenannter Angriffe wird sich weder an einer allgemeingültigen Definition des Begriffs, noch am geltenden Recht orientiert, sondern an bloßen Befindlichkeiten der Polizei. Auch ein ausgeprägter Korpsgeist geschlossener Einheiten, wie z.B. einer Einsatzhundertschaft, kann hier dazu führen, dass sich gleich eine ganze Einheit angegriffen und sich als Opfer fühlt, obwohl faktisch nicht alle Beamten betroffen sind.
Auch scheint es unter Polizeibeamten verstärkte und verbreitete Haltung zu geben, ihre Opfereigenschaft statistisch registrieren zu lassen. So sind die Zahlen bei dieser Berufsgruppe eklatant höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei gefährlichen Körperverletzungen beispielsweise werden in der allgemeinen Statistik pro vollendetem Delikt ca. 16% Versuche angezeigt. Würde man nur das Auge auf Vollzugsbeamte werfen, wäre die Zahl der angezeigten Versuche um 125% höher. Der objektive Mehrwert der zur Begründung angeführten Zahlen wird auch dadurch vermindert, dass die Polizei ihre Kriminalstatistik selber führt und diese nicht durch Außenstehende überprüfen lässt.
Als Begründung für die Notwendigkeit einer Verschärfung der §§ 113 ff. StGB wird auch regelmäßig das Argument herangebracht, dass bis dato Polizeibeamte einen strafrechtlichen Schutz nur dann genießen, wenn diese dabei sind, eine Vollstreckungshandlung durchzuführen und damit ungleich behandelt werden. Diese Annahme war und ist falsch. Das gesamte Strafrecht sieht bereits einen umfassenden Katalog an Bestrafungsnormen diverser oben genannter Handlungen vor: Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Körperverletzung, usw. Der „tätliche Angriff“ ist dabei eigentlich durch die (versuchte) Körperverletzung gedeckt.
Diese Verschärfung des Widerstandsparagrafen hat zur Folge, dass die gesetzausführende Gewalt, also die Polizei, einen höheren Stellenwert vor dem Gesetz bzw. dem Gericht hat als jeder “normale” Mensch. Dieses Gesetz verstößt klar gegen das Grundgesetz §3 Absatz 1 — “Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.” Eine Privilegierung der Polizei als solche, ist ein typisches Merkmal autoritärer Staaten.
Eure Schwarz-Gelbe Hilfe