Vor­würfe nach sie­ben­stün­di­ger Ver­hand­lung fal­len gelassen

4 Mrz 2016 | Abgeschlossene Verfahren

Anfang Februar muss­ten sich mit Ste­fan*, Peter* und Uwe* gleich drei Dyna­mo­fans vor dem Chem­nit­zer Amts­ge­richt ver­ant­wor­ten. Im Nach­gang des Gast­spiels der SG Dynamo Dres­den in Chem­nitz (04.04.15) sol­len diese einen Poli­zis­ten ver­letzt und wäh­rend der Fest­nahme Wider­stand geleis­ten haben. So weit nichts außer­ge­wöhn­li­ches am Rande eines Fuß­ball­spiels, doch schon im Vor­feld wurde die Sache skurril. 

Einer der Beschul­dig­ten erhielt schon nach weni­gen Wochen einen anwalt­lich ver­fass­ten Brief, in dem ein Poli­zist einen zivil­recht­li­chen Anspruch auf Schmer­zens­geld erhob. Nach Rück­spra­che mit der recht­li­chen Ver­tre­tung des Beschul­dig­ten wurde die­ser Brief igno­riert, da die straf­recht­li­che Schuld noch nicht gericht­lich erwie­sen wurde. Woher der Anwalt des Poli­zei­be­am­ten die Daten des Betrof­fe­nen bekam, sollte sich erst vor Gericht klären.

Die Staats­an­walt­schaft Chem­nitz erhob nun Anklage gegen Ste­fan, Peter und Uwe. Doch schon nach weni­gen Minu­ten musste die Ver­hand­lung unter­bro­chen wer­den. Grund war ein Befan­gen­heits­an­trag gegen den Vor­sit­zen­den Rich­ter durch einen Anwalt der Ver­tei­di­gung. Grund dafür: Der Rich­ter hatte es als nicht not­wen­dig erach­tet, einen der Ange­klag­ten im Vor­feld zu beleh­ren, dass er zu sei­nen Ein­künf­ten keine Anga­ben machen müsste. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Rich­ter nicht mehr an dem Ver­fah­ren hätte teil­ha­ben dür­fen. Die durch den Rich­ter ver­brei­tete ange­spannte Stim­mung im Sit­zungs­saal, schien sich deut­lich mit der Ableh­nung des Befan­gen­heits­an­trags zu lösen. Die Haupt­ver­hand­lung konnte nun mit der Ver­le­sung der Ankla­ge­schrift fort­ge­setzt wer­den, alle drei Beschul­dig­ten machen von ihrem Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht vor Gericht gebrauch.

Als Zeu­gen wur­den ins­ge­samt drei Poli­zei­be­amte gela­den. Der erste Zeuge machte Anga­ben über seine beschä­digte Aus­rüs­tung im Bereich der Knie­scho­ner, wel­che Ver­let­zun­gen am Kör­per des Beam­ten her­vor­ge­ru­fen haben sol­len. Diese Ver­let­zun­gen wur­den mit Fotos belegt. Den behan­del­ten Arzt ent­band der Beamte aller­dings nicht von sei­ner Schwei­ge­pflicht, womit die Aus­sage über die Ver­let­zun­gen unglaub­haft wirkte. Auch konnte der Zeuge kei­nen der drei Tat­ver­däch­ti­gen ein­deu­tig benen­nen. Die Ver­tei­di­gung setzte die Befra­gung fort. Es folg­ten Fra­gen über den Tat­her­gang und den anschlie­ßen­den Poli­zei­be­richt. Dabei kam her­aus, dass der Zeuge den Poli­zei­be­richt selbst geschrie­ben hatte, sich aber vor Gericht nicht mehr erin­nern konnte, in wel­chem zeit­li­chen Abstand zur Tat. Auch konnte sich der Beamte nicht erin­nern, woher seine anwalt­li­che Ver­tre­tung die Daten des Beschul­dig­ten für die zivil­recht­li­chen Ansprü­che auf Schmer­zens­geld hatte, da in der Pro­zess­akte kein Ver­merk auf Akten­ein­sicht durch sei­nen Anwalt vor­lag. Der Ver­dacht, eine unlau­tere Wei­ter­gabe der Daten durch den Beam­ten, der gleich­zei­tig Opfer und Bericht­ver­fas­ser war, liegt nahe. Auf Nach­frage der Ver­tei­di­gung, ob es im Vor­feld eine Abspra­che der Zeu­gen­aus­sa­gen durch die betei­lig­ten Poli­zei­be­am­ten gege­ben hätte, ver­neinte der Beamte. Zwei durch die Ver­tei­di­gung vor­ge­legte voll­stän­dig iden­ti­sche Aus­sa­gen durch die Beam­ten, wider­legte die ver­nei­nende Aus­sage des Zeu­gen. Nach ca. 90 Minu­ten endete die Befra­gung des ers­ten Zeu­gen. Der zweite Poli­zei­be­amte schil­derte nun erneut den Her­gang am Zugang zum VIP-Bereich des Sta­di­ons, wo die Tat statt­ge­fun­den haben soll. Auch die­ser Zeuge konnte kei­nen der Beschul­dig­ten ein­deu­tig vor Gericht wie­der­erken­nen. Auch der dritte gela­dene Poli­zei­be­amte konnte sich kaum an den Tat­her­gang erin­nern, nur ein Tritt sei ihm in Erin­ne­rung geblieben.

Wäh­rend einer Pro­zess­pause zogen sich der Vor­sit­zende Rich­ter, die Staats­an­walt­schaft und die Ver­tei­di­gung zu bera­ten­den Gesprä­chen zurück. Alle drei Par­teien erkann­ten die Wider­sprü­che und Unre­gel­mä­ßig­kei­ten in der Auf­nahme der Tat durch die Poli­zei­be­am­ten. Ein Frei­spruch für alle drei Beschul­dig­ten war in die­sem Fall nicht mög­lich, da noch eine Wider­stands­hand­lung gegen die Voll­stre­ckungs­be­am­ten im Raum stand. Nach der Ver­hand­lungs­pause stellte die Staats­an­walt­schaft Chem­nitz nach einer sie­ben­stün­di­gen Haupt­ver­hand­lung einen Antrag auf Ein­stel­lung des Ver­fah­rens nach §153a StPO — also eine Ein­stel­lung auf Grund von Gering­fü­gig­keit. Wäh­rend sich die anwe­sende Ver­tei­di­gung und die Tat­be­schul­dig­ten Ste­fan, Peter und Uwe ins­ge­samt mit die­sem Urteil zufrie­den zeig­ten, bela­ger­ten die als Zeu­gen gela­de­nen Poli­zei­be­am­ten nach Pro­zess­ende den Vor­sit­zen­den Rich­ter außer­halb des Gerichtssaals.

Auch die Schwarz-Gelbe Hilfe e.V. ist mit dem Aus­gang der Ver­hand­lung zufrie­den und betei­ligte sich im Nach­gang an den Anwalts­kos­ten der Beschul­dig­ten. Erneut zeigte sich das unrecht­mä­ßige Vor­ge­hen von Poli­zei­be­am­ten wäh­rend eines Straf­pro­zes­ses. Abspra­chen in Zeu­gen­aus­sa­gen und die unrecht­mä­ßige Wei­ter­gabe von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten die­nen eben nicht der rechts­staat­li­chen Ver­fol­gung von Straf­tä­tern und dem demo­kra­ti­schen Staats­prin­zip der Gewaltenteilung.

Eure Schwarz-Gelbe Hilfe e.V.

*Namen durch die SGH geändert

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